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Ist der Gekreuzigte «selig»?
Hans Urs von Balthasar
Titolo originale
Ist der Gekreuzigte “selig”?
Ottieni
Temi
Dati
Lingua:
Tedesco
Lingua originale:
TedescoCasa editrice:
Saint John PublicationsAnno:
2024Tipo:
Articolo
Die «Seligpreisungen», mit denen die Bergpredigt anhebt, sind zwar von den Segnungen der «Armen Jahwes» am Ende des Alten Bundes mitinspiriert, aber zentral abhängig von der Nachfolge Christi, wie die letzte der Seligpreisungen zeigt: «Selig seid ihr, wenn sie euch schmähen und verfolgen und alles Arge wider euch reden um meinetwillen» (Mt 5,11; Markus 10,29 fügt hinzu: «und um des Evangeliums willen», das ihr verkünden werdet). Das Urbild des Verfolgten und Geschmähten ist Christus, zweifellos als der von Gott verlassene Gekreuzigte. «Gejubelt», daß er das leiden durfte, hat er vorher und nachher; ob er sich selbst am Kreuz «selig» gefühlt hat, ob deswegen die «Verfolgten», «Hungernden und Dürstenden nach der Gerechtigkeit», die «Trauernden» sich selig fühlen müssen, ist damit keineswegs gesagt. Die «Seligkeit» kann sich auf den gnadenvollen Weg beziehen, den sie zu durchschreiten haben, nicht auf den Zustand, den sie durchstehen müssen: «Amen, ich sage euch, ihr werdet weinen und wehklagen, die Welt wird sich freuen, ihr werdet traurig sein, aber eure Trauer wird sich in Freude wandeln. So hat das Weib, wenn es gebiert, Leid, da seine Stunde gekommen ist; hat es aber geboren, so denkt es nicht mehr an die Angst, aus Freude darüber, daß ein Mensch zur Welt gekommen ist» (Joh 16,20-21).
Angenommen, der vom Vater Verlassene am Kreuz fühle sich in keiner Hinsicht «selig» (außer rein objektiv, weil sein Leiden die größte Liebestat und der höchste Gehorsam an den Vater ist), so braucht auch von den Seliggepriesenen durchaus nicht angenommen zu werden, ihr Trauern, Hungern, Verfolgtwerden vollziehe sich unter Gefühlen der Seligkeit.
Man hat freilich den Ausdruck «selig» als eine Fehldeutung des Hebräischen im Griechischen und Lateinischen entlarven wollen; André Chouraqui (in Israel) hat in seiner Übersetzung der ganzen Bibel1 das Wort mit «en marche» (etwa «Macht euch auf, nun seid ihr dran») wiedergegeben und angemerkt, das Wort stamme vom hebräischen «ashréi»: Es bezeichnet die Rechtheit des ausschreitenden Menschen auf einem geraden, auf Jahwe zugehenden Weg. Dann wäre noch stärker die rein objektive Richtigkeit und damit «Seligkeit» des in der Kreuzesnachfolge Schreitenden betont. Aber der Unterschied ist nicht erheblich, denn wenn es am Ende der Seligpreisungen (Mt 5,12) heißt: «Freut euch und frohlockt, weil euer Lohn groß ist in den Himmeln, denn ebenso haben sie die Propheten vor euch verfolgt», dann heißt dies doch auch, daß die Leidenden sich auf die jenseitige Freude im voraus freuen sollen und daß Jesaja sich gewiß nicht auch «gefreut» hat, während er zersägt wurde.
Die Entscheidung über die subjektive Seite der «Seligpreisungen» wird wesentlich abhängen von dem, was der für die Sünde der Welt Gekreuzigte, «zur Sünde Gemachte» (2 Kor 5,21), in seiner Passion erfahren hat. Daß sie für ihn als das menschlich Unerträgliche vor ihm stand, ist vom Ölbergsgebet her klar. Den Emmausjüngern, die er unverständig nennt, erklärt er aus dem ganzen Alten Bund, daß «der Messias dies leiden mußte» (Lk 24,26). Der Verlassenheitsruf ist bei Markus und Matthäus das einzig überlieferte «Kreuzeswort», bei Markus verscheidet Jesus «mit einem lauten Schrei». Sicher echt ist das «Mich dürstet», das mit dem Essigschwamm beantwortet wird, und die Übergabe der Mutter an Johannes. Die das wahre Verhalten Jesu sicher exakt interpretierenden Worte bei Lukas («Verzeih ihnen …» «In Deine Hände …» «Heute mit mir im Paradies») können durchaus richtige Interpretamente sein, ohne daß wir mit Sicherheit entscheiden können, ob sie so gesprochen wurden. Daraus zwei Folgerungen: Sehr unwahrscheinlich ist, daß Jesus den Ps 22 («Warum hast Du mich verlassen?») bis zu seinem jubelnden Ende durchgebetet hat, auch wenn Vers 17 von den durchbohrten Händen und Füßen redet. Das andere: Ohne Zweifel hat Jesus im vollen Bewußtsein, vom Vater verlassen worden zu sein, den «Glauben» an den Vater nicht verloren, den er ja als «Mein Gott, mein Gott» anruft, mit dem er also den einseitigen Dialog aufrechterhält und sich somit den «nicht mehr gefühlten Händen» des Vaters überantwortet. Das «Es ist vollbracht» wurde wohl mit Recht als ein feststellendes Wort des Heiligen Geistes bezeichnet (bei Johannes eigentlich das Wort des österlich verherrlichten Christus).
Somit wäre zu sagen: Alle Theologie, die (bis auf heutige Nachklänge) Christus am Kreuz nur in seinem «unteren Seelenteil» leiden läßt, während seine «Geisthöhe» in himmlischer, seliger Schau verweilte, bricht dem Erlösungsdrama die Spitze ab; sie sieht nicht, daß der Sohn als Ganzer die Situation der gottabgewendeten, sündigen Welt auf sich nimmt, ja durch seinen absoluten Gehorsam «unterwandert» und damit entmächtigt. Der dreieinige Gott kann mehr, als fromme Theologen sich ausdenken. Dabei bleibt durchaus wahr, daß diese «Verlassenheit» zwischen Vater und Sohn (ermöglicht durch ihrer beider Geist) eine äußerste Form ihrer gegenseitigen Liebe und der dreieinigen Liebe Gottes zur Welt bleibt. Ist ja doch gerade Jesu Tod und Absturz in die Unterwelt eine Möglichkeit der lebendigsten Liebe Gottes. Weshalb Johannes Tod und Auferstehung Jesu ungetrennt voneinander die «Verherrlichung» (der göttlichen Liebe) nennt.
Für die «Seliggepriesenen» folgt daraus, daß sie sich im Zustand ihrer Not in keinem psychologischen Sinn selig zu fühlen brauchen. Daß dies einzelnen, etwa Märtyrern, von der Auferstehungsgnade her geschenkt wird, ist durchaus möglich. Aber notwendig ist es nicht. In den acht Seligpreisungen wird ja die Seligkeit erst für die zukünftige Zeit verheißen: «Selig die Trauernden, denn sie werden getröstet werden», usf. Dieses Vorwissen kann ihnen Stärkung im Leid sein: So werden die nach Gerechtigkeit Hungernden und Dürstenden einmal auf ihre Rechnung kommen; sie alle, auch die Armen, die sich nicht Wehrenden, die Friedensstifter, die Barmherzigen usf. sollen vorweg wissen, daß sie «auf dem rechten Weg» sind (wie Chouraqui es deutete), der aber jetzt nicht am Kreuz vorbei zu einem irdischen oder himmlischen Glück führen kann. «Täglich sein Kreuz auf sich nehmen» (Lk 9,23), «ich bin mit Christus gekreuzigt» (Gal 2,19), «täglich sterbe ich» (1 Kor 15,31).
- Brüssel/Paris 1985, S. 1883.↩
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