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Die Armut Christi
Hans Urs von Balthasar
Título original
Die Armut Christi
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Ficha técnica
Idioma:
Alemán
Idioma original:
AlemánEditorial:
Saint John PublicationsAño:
2024Tipo:
Artículo
Von der Theologie der Armut im Alten Testament zu der im Neuen geht ein ununterbrochener Strom, in dessen Mitte Jesu Seligpreisung der Armen steht. Aber es gilt auch auf die scheinbar unmerklichen und doch wesentlichen Unterschiede vor und nach Christus zu achten. Sein Einbruch in die Geschichte der biblischen Armut durch seine Ankunft vom Vater her – als der von den Seinen nicht Aufgenommene (Joh 1,11), der deshalb nichts hat, wohin er sein Haupt betten kann (Mt 8,20) – verändert Sinn und Tragweite der Armut.
Im Alten Bund sind die Armen zunächst vor allem die Unterdrückten, denen von den Wohlhabenden das himmelschreiende Unrecht geschieht, das die Propheten anklagen (Am 2,6f.; Jes 1,17. 23; 3,15: «Mit welchem Recht zerdrückt ihr mein Volk, wagt ihr, das Antlitz der Armen zu zermalmen?» (Jes 10,2). Der Arme hat ein Recht auf menschenwürdige Behandlung (Dt 24,10-15). Aber mit Zephanja (kurz vor Jeremia, und von da an in den Psalmen und im Zweiten Jesaja) erhält die Armut einen religiösen Eigenwert und eine Öffnung auf das künftige Heil: «Sucht Jahwe, all ihr Armen (‹Niedrigen›) der Erde, … suchet die Armut (anawah)» (Zeph 2,3). «Nur ein demütiges und geringes Volk werde ich übriglassen, es wird sich bergen im Namen Jahwes», nach Fortschaffung aller «stolzen Prahler» (ebd. 3,11f.). «Die Armen werden das Land besitzen» (Ps 37,11), «denn Gott erhört die Armen» (Ps 69,34). Aber auch der Fromme darf sie nicht vergessen (Ps 74,19). Der Arme wird zu dem für das kommende Reich Gottes Bereiten, mit Recht jene «Erhöhung» Erwartenden, von der das «Magnificat» singt.
Jesu Seligpreisung setzt ohne Zweifel diese Linie fort; die prophetische Anklage gegenüber den reichen Unterdrückern klingt aber nur noch indirekt fort in Jesu Warnungen vor der Gefahr des Reichtums überhaupt, seine Rücksichtslosigkeit gegen den Armen (der reiche Prasser), seine Unbesorgtheit angesichts des Gerichts (der reiche Kornbauer), durch das der Reiche nur mit Mühe hindurchkommen wird. Jesus selber stellt sich zunächst in die Reihe der «anawim»: er ist, wie Zacharja vom Messias vorausgesagt hat (9,9; Mt 21,5), ein Demütiger und Sanfter (Mt 11,25), auch ein ungerecht Verfolgter (Jes 53,4; Ps 22,25). Aber er setzt neue Akzente. Er fordert nicht nur «Armut im Geiste, in der Gesinnung» (Mt 5,3), um für das Gottesreich empfänglich zu sein. Er unterstreicht dieses Motiv mit demjenigen der Kindschaft (Mt 18,1f. par.), er drängt die ihm Nachfolgenden, selber den letzten Platz zu wählen, er will, daß, wer ganze Sache machen will, alles verkaufe, um einzig ihm nachzufolgen (Mt 6,19f.; Lk 12,33: «Verkauft eure Güter und gebt sie den Armen») – wer das nicht zustande bringt, wird zurückgelassen (Lk 18,18ff.). Die Anweisungen an die ausgesendeten Jünger sind fast unbegreiflich extrem (Mt 10,9ff. par.). Für solche wörtlich genommene, freiwillige Armut war im Alten Testament kein Raum. Die von Gott selbst Beraubten wie Jeremia und Ijob nahmen ihr Schicksal nicht ohne Klage, ja Anklage hin.
Mit Jesus bricht etwas Neues, senkrecht von oben, in die fortlaufende Geschichte der biblischen Armut ein: die Freiwilligkeit und das Fürsein, das Paulus formuliert: «Ihr kennt die Freigebigkeit unseres Herrn Jesus Christus: wie er um euretwillen sich aus einem Reichen zu einem Armen gemacht hat, um euch durch seine Armut zu bereichern» (2 Kor 8,9). Sein Kommen vom Vater setzt eine «Entleerung» (kenosis), einen Wechsel von der «Gottgestalt» zur «Knechtsgestalt», zur «Schmach», zum «Gehorsam bis zum Kreuz» voraus, und dies aufgrund einer Solidarisierung mit den Ärmsten, so daß er, was diesen angetan wird, als ihm selber angetan erachtet (Mt 25,45) und entsprechend verspürt (Apg 9,5).
Aber da er diesen Armutsstand gemäß dem Willen Gottes angenommen hat, wird dieser Stand zu der Stelle, an der man sich als Armer ohne Sorge für den nächsten Tag der Sorge des Vaters anvertrauen darf, ja muß (Mt 6,25-34) und deshalb buchstäblich «alles verlassen» kann, um Jesus allein zu folgen (Mt 4,18f. par.; 9,9 par.; Lk 5,1f.). Und diese freiwillig gewählte (vielmehr von Gott geschenkte) Armut wird sich nicht nur für die Nachfolger als höchst fruchtbar erweisen (Mt 19,28-30 par.), sondern, wie die Reflexion Pauli auf die Hineinnahme der Verzichtenden in das Fürsein Christi zeigt, als fruchtbar für die anderen, für Kirche und Welt: «In Armut und doch viele bereichernd» (2 Kor 6,10). Durch Jesus und einzig durch ihn wird die Armut ein «evangelischer Rat», und Franziskus rät der Kirche, ihn «sine glossa» zu verstehen, da der Herr ihn auch «sine glossa» gelebt hat.
Doch damit ist sein Geheimnis noch nicht gelüftet, denn vom Vater her kommend, verkleidet er sich nicht, sondern zeigt sich, wie er ist, und in sich den Vater im Heiligen Geist: wie Gott in sich ist. Die Armut mag, wie der Alte Bund mit Recht sagt, ein irdisches Übel sein, das die Menschheit nach Kräften heilen muß, und sie wird immer Gelegenheit dazu haben (Joh 12,8). Aber Armut ist zugleich etwas Seliggepriesenes, weil ihr das Himmelreich gehört (Mt 5,3), das Himmelreich also eine Form der Armut ist. Arm ist, wer alles Seinige weggegeben hat. So ist der himmlische Vater arm, da er im Zeugen des Sohnes nichts für sich behalten hat. So ist die ganze göttliche Trinität in Seligkeit arm, weil keine göttliche Hypostase etwas für sich allein hat, sondern alles nur im Austausch mit den andern. Und so kann auch Jesus auf Erden arm sein, weil er alles (auch die Schmach, das Kreuz, den Tod in Verlassenheit) als Gabe des Vaters empfängt. Befreiungstheologie, will sie wirklich neutestamentliche Theologie sein, darf in ihrem berechtigten Einsatz für die Armen dieses zentrale christologische Moment nie vergessen. Christliche Liebe verlangt in der Nachfolge des Herrn sowohl die Solidarisierung mit den Armen wie das Verteilen der eigenen Güter (Lukas besteht immerfort darauf: 3,11; 7,5; 11,41; 12,33f.; 14,14; 16,9; 18,22; 19,8; Apg 5,32; 9,26; 10,2.4.31), nicht aber so, daß wir die Armen (indem man sie zu bürgerlich Wohlhabenden macht) dadurch ihrer in Gott begründeten Seligkeit berauben.
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Español
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