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Zeugnis und Glaubwürdigkeit
Menschliches Zeugnis
Die Absicht dieser Zeilen ist eine theologische, aber Theologie bedarf einer anthropologischen Basis. Nur ein freies Wesen kann Zeugnis ablegen, und weil es frei ist, kann dieses falsch sein («du sollst kein falsches Zeugnis ablegen» Mt 19,18), aus zwei Gründen: entweder man lügt oder man sagt gutgläubig etwas Unrichtiges. Immer wird Zeugnis für einen objektiven, vom redenden Subjekt unterschiedenen Tatbestand abgelegt. Wo dieser willentlich verfälscht wird, herrscht Lüge; solche wird von Juden Jesus angelastet, aber auch von Jesus den Juden (Joh 8,44ff.). Wo er als Gutgläubiger verkannt wird, kann der Zeugnisablegende subjektiv glaubwürdig sein. Mancher Soldat ist für die Sache Hitlers gestorben; die Werte, für die er sein Leben hingab, schienen ihm wertvoller als dieses. Nicht anders ein griechischer Kämpfer, der für seine Polis starb, ein Muslim, der durch seinen Tod den Gott des Qurans ehrte. Auch das blutige Martyrium, die Folter ist kein Beweis für die objektive Wahrheit dessen, wofür man sich opfert.
Das wird man zunächst auch angesichts eines christlichen Lebens- oder Blutzeugnisses zu bedenken haben: der Bezeugende beweist damit nur, daß für ihn der Wert dessen, wofür er sein Leben einsetzt, als ein höherer gilt als dieses, vielleicht als der höchste von ihm absehbare.
Jesu Kreuzigung war eine unter tausenden. Für seine Feinde starb er für einen eingebildeten Wert. Die Juden trachteten ihm nach dem Leben, «weil er Gott seinen Vater nannte und sich so Gott gleichstellte» (Joh 5,18). «Schreibe nicht: ‹König der Juden›, sondern er hat behauptet: ich bin der König der Juden» (Joh 19,21). In der Tat, wenn «Christus Jesus unter Pontius Pilatus das herrliche Bekenntnis abgelegt hat» (1 Tim 6,12), dann scheint für die Zeitgenossen und für alle Nichtglaubenden bis heute hier die gleiche Zeugnisstruktur vorzuliegen wie in allen übrigen menschlichen Fällen: einer gibt sein Leben für ein ihn absolut wichtig dünkendes Programm dahin (zum Beispiel als Beweis, daß der gütige Gott, den er verkündet, sich absolut solidarisch erzeigen will mit den Sündern). Dennoch wird das «Zeugnis», das Jesus «für die Wahrheit» ablegt (Joh 19,37), eine andere Struktur aufweisen als die bisher aufgezeigte: sie wird Teil seines Beweises sein, daß die von ihm aufgezeigte Wahrheit nicht subjektiv, sondern objektiv wahr ist. Dies gilt es nun aufzuzeigen.
Das Zeugnis Christi
Die Apokalypse nennt ihn den «glaubwürdigen Zeugen» (1,5; 3,14), und Jesus sagt von sich selbst: «mein Zeugnis ist (objektiv) wahr» (Joh 8,14). An seinem Zeugnis ist zweierlei zu unterscheiden: einmal die Kenntnis der Sache, die er bezeugt, dann die Verifizierbarkeit der Aussage.
Er bezeugt zunächst, daß er das Bezeugte nicht vom Hörensagen, sondern aus eigener Erfahrung kennt. «Wir reden, was wir wissen, und bezeugen, was wir gesehen haben» (Joh 3,11). «Wer von Gott ist, hat den Vater gesehen» (6,46). «Ich rede, was ich beim Vater gesehen habe» (8,38). Statt «Sehen» kann auch «Hören», «Vernehmen» stehen (3,32; 8,26.40; 15,15), mit beidem reiht er sich in die Folge der Propheten ein, aber ist zugleich über ihr «Sehen» und «Hören» hinaus. Indem er nicht nur Himmlisches sieht und hört, sondern ausdrücklich vom Himmel her kommt (3,13), und dies nicht (wie in den Apokryphen) als der dort verborgen gehaltene Menschensohn, sondern als Gottes substantielles Wort, das «mit dem Vater eins» ist (10,30), Gott wie er (was kein Prophet ist, 1,1) und doch als sein Wort von ihm unterschieden («bei Gott», ebd.). Das sagt er als Mensch von sich aus; deshalb das Entsetzen der Zuhörer («Gotteslästerung!», 10,33). Um es als wahres Zeugnis annehmen zu können, wären die beiden christlichen Grundwahrheiten als gültig anzusetzen: die Trinität in der göttlichen Einheit und die Fleischwerdung des göttlichen Wortes, so daß jede Äußerung dieses Menschen als eine Aussage nicht nur über Gott, sondern Gottes selbst zu gelten hätte. Nur von hier aus wird deutlich, daß Jesu Tod (in der Gottverlassenheit) etwas anderes sein kann als ein subjektiv wahrhaftiges Zeugnis, nämlich ein Wesensaspekt des objektiv Bezeugten selbst: «Gott hat die Welt sosehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn (für sie) dahingab» (3,16). Nur von hier aus wird verständlich, daß Jesus sein Zeugnis sowohl ein doppeltes wie ein einziges nennen kann, weil er als Wort des Vaters dessen Liebe zur Welt bezeugt und zugleich als die (göttliche) Aussage des Vaters diese Liebe in sich hat, sie verkörpert und sterbend darstellt (5,31f. = 8,14-18). Hier wird auch die Überlegenheit dieses Zeugnisses über alle ihn ergänzend Bezeugenden sichtbar: über Mose und die Propheten, über den Täufer, der zwar «Stimme», aber nicht «Wort Gottes» ist, Zeugnisse, die Jesus gelten läßt – für andere sind sie nützlich –‚ deren er aber zur Beglaubigung nicht bedarf (2,25; 5,34). Da er mit seiner ganzen Menschlichkeit – Wort, Werk, Leiden und Tod – Zeugnis für die Liebe des Vaters ablegt, kann dieses Gesamtzeugnis der Anlaß sein, daß man es ihm abnimmt. Dennoch wird es als solches für die Abnahme nicht genügen; es wird etwas Göttliches erfordert sein, um den Menschen von der Gültigkeit dieses Gesamtzeugnisses zu überzeugen, etwas, das uns «erkennen läßt, was uns von Gott geschenkt worden ist» (1 Kor 2,12): der Heilige Geist, der uns zusammen mit «Wasser und Blut» als Zeuge geschenkt wird («Drei sind es, die Zeugnis geben», 1 Joh 5,7) und der als das «größere Zeugnis Gottes» bezeichnet wird (1 Joh 5,9), das auch das unsere «mit-überzeugt» (sym-martyrei, Röm 8,16).
Fragt man nach der Verifizierbarkeit des Zeugnisses Jesu, so ist gleich zu wiederholen, daß es ohne den göttlichen Geist in der menschlichen Einsicht für diese nicht überzeugend wirkt. Da Jesus sich immer als der Einzige bezeichnet, der den Vater gesehen hat, läßt sich seine Aussage nur an ihm verifizieren. Momente, die dies erlauben würden, wären einmal die einzigartige Einheit in ihm von Majestät und Demut – Majestät, sofern er eins ist mit dem Vater, redet «wie einer, der Macht hat», von den Jüngern als «Herr und Meister», schließlich als «mein Herr und mein Gott» angesprochen wird; Demut, sofern er jede Ehrung seiner Person ablehnt, weil er nur des Vaters Wort gehorsam durchgibt, – sodann die Weise, wie er «mit seiner ganzen Existenz gestikuliert» (ein Wort Kierkegaards über Chrysostomus), von der Glaubwürdigkeit seiner Worte auf die seiner Werke (seines ganzen Handelns, Gehabens und Seins) verweist (Joh 5,36; 10,25.37; 15,24). Aber gerade das größte «Werk», das Kreuz, kann von menschlicher Weisheit als reine Torheit gedeutet werden (von den Juden unter dem Kreuz wie von den heidnischen Weisen, 1 Kor 1,23ff.), und die dies widerlegende Auferstehung erfolgt wiederum bloß vor «von Gott vorbestimmten Zeugen» (Apg 10,41). Da erst mit Tod und Auferstehung Jesu Zeugnis von der Liebe Gottes zur Welt sich abschließt, bildet die Verifikation der Osterereignisse – das Sehen, Hören, Betasten des Auferstandenen – die abschließende Glaubwürdigkeit dessen, was Jesu ganze Existenz bezeugen wollte, weshalb das Zeugnis derer, die diese Ereignisse erfahren haben, ihrerseits zum unabdingbaren Ausgangspunkt des christlichen Glaubens geworden ist. Lukas ist, wie wir sehen werden, hierüber besonders formell. Gewiß hat es vor Ostern inchoativ echten Glauben gegeben, auf den hin Jesus Wunder vollbringen oder – wie beim Bekenntnis Petri – bleibende Verheißungen ergehen lassen konnte. Aber wie Jesus selbst vor dem Kreuz sein Zeugnis nur inchoativ ablegen konnte – deshalb seine Sehnsucht auf die schwere Erfüllungsstunde hin (Lk 12,50) – so konnte auch der Glaube sowohl der Jünger wie des Volkes wie einzelner Heiden erst inchoativ sein.
Es war Glaube einzelner. Das vollendete Zeugnis dagegen kann nur ein sozial-universales (das heißt kirchliches) sein, weil das Kreuz als Erweis der Liebe Gottes für die Welt ein weltumfassendes und darin gemeinschaftbegründendes war. Die Ostererscheinungen – auch die an einzelne – verweisen alle auf die Jüngergemeinschaft; mit Kreuz und Auferstehung ist Kirche gesetzt. Die johanneische Geistverleihung an Ostern ist unerläßlich für die Begabung der Apostel als Zeugen, auch wenn ihre offizielle Aussendung (lukanisch) erst an Pfingsten erfolgt.
Wenn das Sehen-Hören-Tasten des Auferstandenen scheinbar nur die Menschheit Jesu betrifft, so ist dies gleichzeitig Verifikation seines Gottseins und damit der Wahrheit seines Anspruchs, Gottes substantielles Wort zu sein; Thomas bricht bei der Berührung der Wundmale ganz richtig in den Ruf «mein Herr und mein Gott» aus. Wenn dieser Bericht auch eine typisch johanneische Kondensierung enthält (es wird seine Zeit gebraucht haben, bis die gewonnene Einsicht begrifflich ausformuliert werden konnte), so verhält es sich damit ähnlich wie mit dem gesamten Evangelium: wenn nicht von Anfang an eine «implizite Christologie» vorhanden gewesen wäre, wäre die explizite nie zustande gekommen.
Eine bloße Aussage kann nachgeprüft werden: ich kann ein Reisebüro nachforschen lassen, ob der Betreffende wirklich in Melbourne war. Bezeugt er dagegen: «Ich liebe dich» (oder auch: «das habe ich letzte Nacht geträumt»), so muß ich ihm glauben. Bei der Liebeserklärung läßt sich das Zeugnis am ganzen existentiellen Gehaben verifizieren. Eine Gattenliebe erweist sich durch jahrelange Treue als wahr. Das gewichtigste Zeugnis der Weltgeschichte, Jesu Zeugnis von seiner Sendung durch den Vater, kann nur (mit guten Gründen) geglaubt oder (mit unzureichenden) verworfen werden. «Wenn ihr nicht glaubt, daß Ich Es Bin, werdet ihr in euren Sünden sterben.» «Wer bist du denn?» «Warum rede ich überhaupt noch mit euch?» (Joh 8,24f.). Deshalb: «Haben sie mein Wort angenommen, so werden sie auch das eure annehmen; haben sie mich verfolgt, werden sie auch euch verfolgen» (Joh 15,21. 20). «Selig seid ihr, wenn man euch um meinetwillen schmäht und verfolgt und alles Schlimme nachsagt» (Mt 5,11). Wo Jesus keinen Glauben findet, weicht er aus, und er lehrt seine Jünger es ebenso zu halten (Mt 10,14). Aber der Unglaube ist für den Ablehnenden folgenreich, weil vorausgesetzt wird, daß im Zeugnis Jesu (und im befugten Zeugnis über Jesus) seine eigene und ausreichende Verifikation liegt – für den, der fähig ist, sie zu sehen und daraufhin zu glauben.
Das Zeugnis für Christus
Einzusetzen ist beim archetypischen Zeugnis derer, die das Bezeugte (nicht ohne Glauben) miterlebt haben. Für Lukas sind diese Ur-Zeugen die Zwölf, die er von vornherein Apostel nennt. «Das lukanische Apostelamt ist primär durch den Zeugenbegriff geprägt» (N. Brox). Deshalb ist es nicht verwunderlich, daß Lukas Paulus dazuzählt, der ja seinen Anspruch, Apostel zu sein, auf das Gesehenhaben Jesu und auf dessen Sendung zurückführt. Auch Stephanus wird an einer Stelle (Apg 22,20) Apostel genannt, weil er sterbend Jesus zur Rechten Gottes stehend gesehen hat. In seinem Brief nennt sich Petrus «Zeuge der Leiden Christi» (1 Petr 5,1). Und selbst Johannes, bei dem der Zeugenbegriff für Jesus einen viel umfassenderen Sinn erhält, besteht darauf, daß er Augenzeuge der Durchbohrung der Seite Jesu war: «Der es gesehen hat, der hat es bezeugt. Und sein Zeugnis ist wahr; er weiß, daß er Wahres sagt, damit auch ihr glaubt» (19,35). Entsprechend im Brief: «Was wir mit unseren Augen gesehen, was unsere Hände betastet haben, bezeugen und verkünden wir euch»: bezeichnenderweise «das Wort des Lebens», «das ewige Leben» (1 Joh 1-2). «Das ist der Jünger, der dies (Erlebte) bezeugt» (Joh 21,24). Aber auch der Täufer bezeugt etwas Gesehenes (Joh 1,34), die Samariterin bezeugt in der Stadt, was sie erfahren hat (4,39), ebenso die Diener der Pharisäer (7,46), das Volk bei der Erweckung des Lazarus (12,17). Aus all diesen heben sich jene ab, die von Jesus selbst zu Zeugen bestimmt werden: «Ihr seid die Zeugen von alldem» (Lk 24,48). Wirksame Zeugen freilich nur zusammen mit dem bezeugenden Heiligen Geist (ebd. 49; «er wird von mir zeugen, und auch ihr werdet zeugen, weil ihr von Anfang an bei mir seid», Joh 15,26f.).
Wie aber soll von den Nachfolgenden, die nicht mehr selber gesehen, gehört und getastet haben, das Zeugnis übernommen und weitergeführt werden? Das wird nur möglich sein, wenn sie mit ihrem lebendigen Glauben nicht nur etwas von der Schau der ersten Zeugen mitgeschenkt erhalten (so deutlich bei Johannes, der den Nachkommenden etwas von seiner «Sehweise» übermittelt, wie F. Mußner gezeigt hat), sondern etwas von der ursprünglichen Schau Jesu selber, der aus seiner ewigen Schau des Vaters den christlichen Glauben geformt hat. Aller lebendige Glaube, alle echte Kontemplation von Christen (man denke an die Betrachtungen der ignatianischen Exerzitien) enthält dieses Moment in sich. Thomas von Aquin anerkennt es ausdrücklich, wenn er den lebendigen Glauben als eine Vorwegnahme der ewigen Schau beschreibt, was übrigens der Petrusbrief ausdrücklich bestätigt: «Christus, an den ihr glaubt, ohne ihn jetzt zu sehen, über den ihr frohlockt mit unaussprechlicher und verklärter Freude, indem ihr das Ziel eures Glaubens, die Seligkeit, das Heil der Seelen, (vorweg) erhaltet» (1 Petr 1,7-9). Bezeichnenderweise wird sogleich erläuternd das Beispiel der Propheten angeführt, die in ihrem Forschen nach den kommenden Heilsereignissen diese antizipierten.
Aber zu diesem Moment tritt wesentlich ein anderes, in der Lehre und Forderung Jesu gründendes hinzu: das der Leidensnachfolge. Für Petrus ist die Passion Christi das Tragen der Weltsünde gewesen («für euch»: 2,21; «für die Sünden»: 2,24), so daß für die Christen ungerechtes Leidenmüssen mehr ist als ein aszetisch zu tragendes subjektives Geschick, es ist ausdrücklich eine Nachfolge «der Spur des Vorbilds» (2,21). Und so wird der Wandel der Christen zu einem Teil ihrer «Rechenschaftsablage für die sie beseelende Hoffnung» (3,15): er «beschämt die Verleumder», die dadurch «zuschanden werden» (3,16).
Das Thema wird in der Lehre Pauli breit und allseitig durchgespielt. Seine Leidensexistenz wird – neben seinem Damaskuserlebnis – zum anderen Beweis-Pfeiler der Echtheit seines apostolischen Zeugnisses. Er folgt nicht nur einem zeitlich vorausgegangenen Vorbild, sondern leidet in und für und mit Christus, und hier liegt (noch mehr als in seinem Bekehrungserlebnis) für seine Gemeinden der Beweis für die Wahrheit dessen, was er bezeugt. Was im Petrusbrief anklingt, wird hier als zentraler Beweis für die Nachprüfbarkeit des von ihm Bezeugten entfaltet. Er ist sich der Paradoxie dieser Beweisführung völlig bewußt, deshalb stellt er diese in einer «Narrenrede» dar (2 Kor 12-13). Aber er geht so weit, daß er diese «Nachfolge» zu einem «Ineinander» verdichtet: «Ich freue mich an meinen Leiden für euch und fülle in meinem Fleisch für seinen Leib, die Kirche, das auf, was an den Bedrängnissen Christi noch mangelt» (Kol 1,24). Körperliches, aber mehr noch geistiges Leiden – Verachtung, Erfolglosigkeit, Abschaum der Welt, sogar für die Gemeinde «unbewährt» sein (2 Kor 13,7) –: hierin sieht er den kirchlichen Beweis, daß Christi irdisches Schicksal an ihm nicht nur abgelesen werden kann, sondern sich real fortsetzt. Das Stellvertretende darin tritt dadurch hervor, daß er in der Kreuzesschwäche Christi dessen Auferstehungskraft voraussieht und deshalb in seinem, Pauli, Gekreuzigtsein das gleichzeitige Durchbrechen der Auferstehungsmacht Christi für sein Werk erhoffen, ja erkennen kann: «Allzeit tragen wir Jesu Todesleiden an unserem Leib, damit auch das Leben Jesu an unserem Leib offenbar werde … So ist in uns der Tod, in euch das Leben wirksam» (2 Kor 4,10. 12; vgl. 13,3-4). Die erfahrbare Fruchtbarkeit des apostolischen Leidens ist für Paulus die Nachprüfbarkeit seines Zeugnisses. Es ist, wie jedes Zeugnis, der Freiheit des Empfängers anheimgestellt. Für ihn selbst und die sich Anschließenden ist sein Zeugnis «offen», «für die Ungläubigen, deren Einsicht der Gott dieser Welt verblendet hat, bleibt es verhüllt» (2 Kor 4,3f.) «Du bist von Sinnen, Paulus, die große Gelehrsamkeit bringt dich um den gesunden Verstand» (Apg 26,24).
Paulus verlangt von seinen Nachfolgern wiederum ein solches Lebenszeugnis «Das herrliche Bekenntnis», das Timotheus bei seiner Taufe oder Weihe «vor vielen Zeugen abgelegt hat», wird sogleich in Parallele gestellt zum «herrlichen Zeugnis» Jesu vor Pontius Pilatus: es ist also Zeugnis auf Leben und Tod (1 Tim 6,12f.). Für Paulus ist es folgerichtig Einladung, an «meinen Leiden für das Evangelium in der Kraft Gottes teilzunehmen» (2 Tim 1,8).
Bleibt noch die Apokalypse mit ihrem breiten Zeugenbegriff. Zunächst ist Jesus selbst der «glaubwürdige Zeuge» (1,5), aber von ihm befähigt sind sowohl die Propheten wie die Apostel (Johannes vor allem) seine Zeugen, entsprechend der Weise, wie das abschließende Buch Altes und Neues Testament als die zwei Seiten einer einzigen Zeugenschaft sieht. Wieder sind die beiden Elemente dieser Zeugenschaft untrennbar miteinander verbunden: ursprüngliche Schau und Lebenseinsatz bis in den Tod. Diese Zeugnisablage (martyrion oder martyria) ist in diesem Buch schon ganz nah dem, was das Wort Martyrium für uns bedeutet. Aber auch hier ist die einsame Schau des Sehers auf Patmos auf die Kirche des Lammes hingeordnet, wie die sieben Sendschreiben beweisen.
Damit ist das umgreifende Thema des Alten wie des Neuen Bundes angeschlagen: die Propheten sind Zeugen Gottes für Israel, die «Apostel und Propheten» des Neuen Bundes (Eph 2,20) sind Zeugen in der Kirche, für sie und ihre Aufgaben in der Welt sind sie in der Weise nachprüfbar «wie das im Feuer erprobte Gold» (1 Petr 1,7). Aber gerade das Feuer von Spott und Verfolgung ist es, das nach christlicher Sicht das Fruchtbarste am Zeugnis ist: es kann die verschlossenen Türen der Abweisung von innen, durch den Geist, der Feuer ist, öffnen.

Hans Urs von Balthasar
Título original
Zeugnis und Glaubwürdigkeit
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Ficha técnica
Idioma:
Alemán
Idioma original:
AlemánEditorial:
Saint John PublicationsAño:
2025Tipo:
Artículo