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«Der Tod vom Leben verschlungen»

Hans Urs von Balthasar
Titolo originale
“Der Tod vom Leben verschlungen”
Ottieni
Temi
Dati
Lingua:
Tedesco
Lingua originale:
TedescoCasa editrice:
Saint John PublicationsAnno:
2025Tipo:
Articolo
Über die Auferstehung Christi etwas Angemessenes auszusagen, setzt eine möglichste Entfernung von aller innerkosmischen oder gar nur physikalischen Betrachtung voraus. Daß «das Sterbliche verschlungen wird vom Leben» (2 Kor 5,4), daß «der Tod verschlungen wird in den Sieg hinein» (1 Kor 15,54), ist in diesem Bereich nicht von ferne anzunähern. Nur im Horizont theologischen Denkens, unter der Voraussetzung, daß der geschaffene Kosmos von vornherein die Dimensionen «Erde und Himmel» («Diesseits-Jenseits») umfaßt, daß Gottes inneres Leben ein dreieiniges Ereignis ist, daß die weltliche Natur im Hinblick auf Teilnahme am göttlichen Leben geschaffen worden ist und Gottes Wort und Sohn in die Welt kam, um deren Schuld in seiner Passion zu tragen und «in sich selber den Haß zu töten» (Eph 2,16), läßt sich etwas von dieser Überwindung des anscheinend endgültigen Todes in die Übermacht ewigen Lebens erahnen. Denn ein einzelner Aspekt des Glaubensmysteriums – wie die Auferstehung Christi – läßt sich nur von allen übrigen zentralen Aspekten her erhellen, was freilich die Dinge für die greifenwollende Vernunft nicht einfacher macht, sondern sie zwingt, dem Gesamt-Mysterium auch in jedem seiner Sonderaspekte seinen Raum zu lassen.
Wir versuchen im folgenden, das Geheimnis der einmaligen Auferstehung Christi – der dann freilich zum «Wegebahner» (Joh 11,25; 14,6; Hebr 2,10) für alle übrigen wird – von der Einmaligkeit seiner Konstitution und Sendung als Erlöser der Menschheit her anzunähern. Nur wenn gesehen wird, was Jesus in seinem Leiden und Sterben «dahingibt», und infolgedessen aufgrund seiner Konstitution als Gottmensch dahinzugeben fähig ist, kann auch gesehen werden, was er als der Auferstehende an leibhaftiger Wirklichkeit wiederzugewinnen vermag.
I
Der Tod Jesu am Kreuz ist durch ein doppeltes Paradox gekennzeichnet, was auch in den neutestamentlichen Aussagen deutlich wird.
Der sündigen Menschheit gegenüber ist Jesus einerseits der «Ausgelieferte» (traditus Mk 9,31 u. oft), damit sich die Sünde der Welt an ihm, seiner lebendigen Leiblichkeit, austobe. Passion setzt ohne jeden Zweifel eine Passivität des Leidenden voraus. Jesus kann sich, obschon dazu provoziert (Mk 15,30 parr), nicht wehren, aber dieses wirkliche Nichtkönnen setzt bei ihm ein aktives Nichtwollen voraus: «Deshalb liebt mich der Vater, weil ich mein Leben dahingebe, um es wiederzugewinnen. Niemand raubt es mir, sondern ich gebe es freiwillig dahin; ich habe die Vollmacht, es hinzugeben, und ich habe die Vollmacht, es wieder zu nehmen; diesen Auftrag habe ich von meinem Vater erhalten» (Joh 10,17f.). In dieser Freiwilligkeit des «Hingebens» liegt nicht nur und nicht vor allem der physische Tod, sondern der Sinn (und dessen Ermöglichung durch die gottmenschliche Konstitution) der Hingabe: die Übernahme der Jesus aufgeladenen Weltschuld. Freiwillig-aktiv eröffnet er den Raum seiner Geistleiblichkeit, um darin passiv die ganze unvorstellbare Brutalität der widergöttlichen Menschheitssünde sich auswirken zu lassen. Die Dimensionen dieser Sünde reichen vom Anfang der Menschheit bis zu ihrem Ende, Vergangenheit und Zukunft sind im gegenwärtigen Geschehen eingeschlossen, was den Erleidenden geistig in eine Art Zeitlosigkeit entrückt («Jésus en agonie jusqu’à la fin du monde»: Pascal), aber auch seiner Leiblichkeit eine (in der Hingabe-Vollmacht begründete) Zer-Dehnung («dis-tentio»: Augustinus) verleihen muß, die physiologisch unbeschreibbar bleibt. Dieses erste Paradox liegt somit in einer alle Grenzen des Leidenkönnens überschreitenden Passivität, die ermöglicht wird in einer vorgängigen, alle Grenzen möglicher Selbsthingabe überschreitenden aktiven Vollmacht.
Aber mit dem Begriff Vollmacht enthüllt sich das zweite Paradox: Die Vollmacht, in absoluter Freiwilligkeit den Akt der Selbsthingabe zu setzen, ist ein vom Vater erhaltener Auftrag: Hiermit öffnet sich die trinitarische Dimension. Ihr zugekehrt bedeutet die absolute Hingabe Jesu an die Weltsünde jene Gottverlassenheit, die das innerste Wesen der von ihm erfahrenen Sündensituation ist, also die äußerste Ent-Fernung (nochmals dis-tentio) zwischen Vater und Sohn, ökonomisch erwirkt durch den Heiligen Geist. Aber schon sieht man, daß dieses Überliefertsein auch von Gott-Vater an die Sünde nur ermöglicht wird durch den absoluten Liebes-Gehorsam des menschgewordenen Sohnes Gott gegenüber, daß somit die finstere Nacht des Verlorenhabens Gottes (oder der Selbstverfinsterung Gottes) eine Funktion und Äußerung ihrer höchsten Intimität ist, wie Jesus sie noch vor der Verlassenheitserfahrung, aber auch für diese ausdrücken kann: «Siehe, es kommt die Stunde, und sie ist schon da, wo ihr euch zerstreut, ein jeder an seinen Ort, und mich allein laßt, aber auch dann bin ich nicht allein, denn der Vater ist mit mir» (Joh 16,31f.).
Vergleichen wir diese beiden Paradoxe der Passion, so werden sie nur verständlich von einer trinitarischen Voraussetzung her: Die innergöttliche Distanz zwischen den göttlichen Personen innerhalb der einzigen göttlichen Natur muß so unendlich sein, daß innerhalb der vollkommenen Einheit des Wesenswillens von Vater, Sohn und Geist Raum ist für das, was ökonomisch als der (freie!) Gehorsam des Sohnes bis hinein in die Verlassenheitserfahrung vom Vater erscheinen wird und was aufgrund dessen – immer im «Auftrag» des Vaters – die freie Zur-Verfügung-Stellung der leibgeistigen Wirklichkeit des menschgewordenen Sohnes für die Auswirkung der Weltsünde sein wird. Nur wenn diese Ermöglichung alles Heilsgeschichtlichen aus dem Trinitarischen festgehalten wird, erhält das erstere hinreichende Glaubwürdigkeit; läßt man sie fallen, so hängt das «pro nobis» der Passion in der Luft und wird – wie heute von vielen Theologen – schließlich fallengelassen.
Dann erscheint natürlich auch die Auferstehung Jesu wie ein isoliertes Wunder, das mit der Passion nur durch das Band «Verdienst-Lohn» zusammenhängt, ein Band, das ja schon in den Texten des Neuen Testaments nur ein Gleichnis ist (weil ja hier doch immer das «Verdienst» der Liebe ihr eigener «Lohn» ist).
Aber noch muß diese erste Betrachtung, die ganz allgemein die Beziehung von Ökonomie und Theologie umkreiste, konkretisiert werden auf die besondere Rolle der Leiblichkeit Jesu in seiner Leidenshingabe an die Menschheit und darin an den Vater im Heiligen Geist.
II
Daß Jesus seinen lebendigen Leib als Raum für die Weltsünde anbieten kann, bedeutet eine freie Vollmacht, die sich vor allem Erleiden von der Menschheit her ausdrückt in seiner Selbsthingabe als Eucharistie. Diese wird bezeichnenderweise auch zeitlich vor der Passion eingesetzt, obschon sie deren Vollzug antizipierend voraussetzt, wie die Einsetzungsworte klar zeigen: «Nehmt den (für) euch hingegebenen Leib, das (für und von) euch vergossene Blut.» Daß der Leib Jesu den Dimensionen der Weltsünde gewachsen war, hatte zur Voraussetzung, daß seine (auch) leibliche Selbsthingabe in der Eucharistie je schon diese Dimensionen erreicht und überschritten hatte, denn seine Liebe erweist sich im Tragen der Sünde stärker als diese. Seine Passion, zu der sein Tod gehört, ist immer schon umgriffen von seiner freien Liebe («ich gebe mein Leben dahin von mir selbst aus»: ap’emautou: Joh 10,18), einer Liebe, die zugleich Ausdruck seines Liebesgehorsams an den Vater ist.
So konnte er auch, aller passiven Passion voraus, sein «Leib und Blut» als Dahingegebenes seiner Kirche übermachen: «Tut dies zu meinem Gedächtnis»: ein offenbar endgültiges, nie zurückgenommenes Vermächtnis. Das wird bei der Auferstehung notwendig zu bedenken sein. Die Stiftung der Eucharistie, die das Kreuz und den Tod in sich einschließt, ist eine Art «Annagelung» an die Kirche und durch sie an den Kosmos, die nicht zurücknehmbar ist.
Aber es gibt auch die der Trinität zugewandte Seite der eucharistischen Weggabe von Jesu lebendiger Leiblichkeit. Er gibt sie wie den Menschen ebenso dem Vater zu dessen Verfügung: Gott ist es ja, der in Christus die Welt mit sich versöhnt (2 Kor 5,19); man müßte eigentlich von einer Kommunion des Vaters aufgrund der Eucharistie des Sohnes sprechen, die ja nichts anderes ist als die Herstellung der Communio zwischen Gott und der Menschheit. Auch diese Hinterlegung seiner Leiblichkeit beim Vater kann in Ewigkeit nicht zurückgenommen werden. Ist sie doch, wenn wir tiefer nachdenken, nichts anderes als die höchste ökonomische Form der ewigen trinitarischen Selbstverdankung des Sohnes an den ihn zeugenden Vater, welche Selbstverdankung sich ewig ausdrückt in der sich anbietenden Rückgabe seines gesamten Gottseins an den zeugenden Ursprung; und in diesem Angebot liegt auch der Ursprung der Möglichkeit des trinitarischen Beschlusses der Menschwerdung und der Welterlösung.
III
Alles bisher Gesagte scheint nun fast unüberwindliche Schwierigkeiten für das Ereignis der Auferstehung Christi aufzuhäufen. Wie kann das an die Menschheit und an Gott bedingungslos und endgültig Weggebene – der «geopferte» Leib Christi – von diesem ebenso bedingungslos und auf immer zurückgewonnen werden? Und wie kann Jesus selbst sagen, er habe die Vollmacht, sein Leben nicht nur hinzugeben, sondern es «wieder an sich zu nehmen» (Joh 10,18)?
Man muß auf die anfänglich gezeigten Paradoxe, vertieft durch die Realität der Eucharistie, zurückgreifen, um die Vereinbarkeit des scheinbar Auseinanderliegenden zu sehen. Beginnen wir mit der Hingabe des Leibes an die Weltsünde, die ihn «verzehrt» oder vernichtend «hinunterwürgt» (katapinein: 1 Kor 15,54; 2 Kor 5,4): Es zeigte sich, daß dieses Passive umgriffen und überholt wird von der eucharistischen Selbsthingabe an die Kirche, die dort, wo der Empfang des Leibes und Blutes des Herrn als das, was er ist, «unterschieden» wird (1 Kor 11,29), diese Hingabe entsprechend verdankt: Die Kirche wird Leib des Herrn und gibt sich als solcher dem Schenkenden in dankbarer Anerkennung zurück. Das ist dann auch die tiefste Weise, in der Jesus Vollmacht hat, sein Leben wieder an sich zu nehmen: Er erhält sich selbst aus der Kirche zurück, ohne sich deshalb aus ihr zurückziehen zu müssen. Und weil er am Kreuz zeitlos für die Schuld der gesamten Weltzeit gelitten hat, erhält er sich ebenso zeitlos aus allen Geschlechtern der Glaubenden zurück.
Natürlich darf dieser Aspekt keinen Augenblick abgelöst werden von der trinitarischen Beziehung, die in den neutestamentlichen Texten vornehmlich betont wird: Der Vater in der Kraft des Heiligen Geistes gibt dem gestorbenen Sohn seine bei ihm hinterlegte, für die Welterlösung zur Verfügung gestellte Leiblichkeit insofern zurück, als sie inskünftig das bleibende Instrument dieser Versöhnung sein wird. Wenn der Sohn sein Leben ausdrücklich im Auftrag des Vaters zurücknimmt, so heißt das, daß er sich in seinem ewigen Sohnesgehorsam vom Vater als der leibhaftig Lebendige zurückerhält; hat doch das ganze Ziehenlassen des Sohnes durch den Vater (bis zur Gottverlassenheit am Kreuz) für den Vater nichts anderes zum Ziel gehabt, als den Sohn in seiner ganzen Leibhaftigkeit für die Welt als die für immer anschauliche Ikone des Vaters aufzurichten. Das wird im letzten dadurch vollendet, daß der Sohn auferstehend sich selbst – «mit Leib und Seele, mit Gottheit und Menschheit» – vom Vater her zurückerhält.
Nun kann auch verstanden werden, inwiefern der Tod vom siegenden Leben «verschlungen» wird. Dieser Tod war in jeder Beziehung – sowohl zur Welt wie zu Gott hin – eine Funktion der sich schenkenden Liebe, auch wo er als die zerreißende Macht der Sünde als der höchste Feind von Leben und Liebe auftrat. Die Feindschaft, die in diesem Töten liegt, wird vernichtet, aber das Sterben selbst bleibt das eines Liebenden und wird insofern in das Auferstehungsleben mithinein verklärt, nicht etwa als ein bleibender «Schatten» (im Sinn C.G. Jungs), sondern als eine Form, in der die lebendige Liebe sich «bis ans Ende» (Joh 13,1) manifestieren konnte. Darum tritt das lebendige Lamm in der Apokalypse als das «wie geschlachtete», als «Sieger» auf und kann der verklärte Herr von sich sagen: «Ich war tot, aber siehe, ich lebe in alle Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und der Unterwelt» (1,18). Er nimmt seinen Modus des Totseins als ein Gewesenes, und darin bleibend Prägendes, mit in sein ewiges Leben, und daß er «die Schlüssel» für Tod und Unterwelt hält, zeigt nochmals, daß er den Tod als den durch die Liebeshingabe bestandenen und überwundenen in seiner eigenen höchsten Lebendigkeit hat. Dies keinesfalls im Sinn einer hegelschen Dialektik, in der das Negative als ein inneres Moment des ewigen Lebens erschiene: Ist es doch dessen Macht, sich in die Ohnmacht von Passion und Tod auszuliefern; oder, um alle Zweideutigkeit auszuschließen: ist doch die «Ohnmacht der Liebe Gottes stärker als die Menschen» (1 Kor 1,25).
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