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Gottes Allmacht

ハンス・ウルス・ フォン・バルタザール
原語タイトル
Gottes Allmacht
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書籍説明
言語:
ドイツ語
原語:
ドイツ語出版社:
Saint John Publications年:
2025種類:
論文
1. Die Allmacht ist Gottes
Die Allmacht ist eine der Eigenschaften, die wir nach biblischer Offenbarung – und wir reden nur von dieser – Gott zuschreiben müssen. Aber nie dürfen wir von ihr so handeln, als wäre sie die einzige oder primärste; vergessen wir auch nicht, daß wir sie im Apostolischen Credo dem Vater in Gott zuschreiben: Patrem omnipotentem.
Stellen wir Gottes Allmacht in den Rahmen der uns aus der Bibel bekannten Eigenschaften zurück, so wird sie wohl als erstes in die Nähe seiner göttlichen, also unendlichen Freiheit gerückt. Er hat die Freiheit, nicht nur alles, was er will, zu können, sondern zuvor die Freiheit, er selber zu sein. Anders und deutlicher gesagt: es gibt nichts, das ihn nötigt zu sein. Es gibt auch in ihm keine «Natur», über der sich erst seine Freiheit wie ein Sekundäres erhöbe. Seine Freiheit dringt bis auf den letzten Grund seines Seins hinab, er ist von sich selbst her (a se), er ist ewig und beständig der, der er sein will. Aber er ist auch nicht der Gefangene seiner Freiheit, als könnte er nichts anderes wollen und sein als sein göttliches Wesen. Ebenso ursprünglich wie seine freie Selbstbejahung ist seine Macht, dieses Wesen nicht für sich selbst zu haben, sondern es als ganzes zu verschenken: «Alles, was dein ist, ist mein», sagt der Sohn seinem ewigen Vater, und da dem Sohn dieses Wesen geschenkt ist, besitzt er auch dessen Macht der Hingabe: so geht aus ihm im Verein mit dem Vater der Heilige Geist hervor, der zugleich mit der Allmacht die verkörperte Freiheit Gottes haben wird, zu «wehen, wo er will», aber auch die verkörperte (Hin-)Gabe Gottes zu sein. Man muß unbedingt diese trinitarische Seite der göttlichen Allmacht im Auge behalten, gemäß der Gott die Macht hat, er und der Andere und die Einheit beider zu sein, wenn man nunmehr die Allmacht Gottes bedenken will, frei über sein eigenes Wesen hinauszugehen und Wesen zu erschaffen, denen er in freier Allmacht verleiht, ebenfalls frei und in ihrer Weise mächtig zu sein. Um das ganz zu verstehen, werden wir andere seiner Eigenschaften beiziehen müssen, seine Liebe vor allem, die ja implizit schon in seiner innergöttlichen Selbsthingabe mitsichtbar geworden ist; aber es ist gut, es zunächst einmal für sich zu bedenken: daß Gottes Macht nicht auf ihn selber beschränkt ist, sondern alles umfaßt, was er als «möglich» (das heißt verwirklichbar) hält («mögen» kommt von «vermögen») und was er in seiner freien Weisheit auch «wirklich» werden zu lassen beschließt. Auch hier, im Hinblick auf eine schaffbare und zur Erschaffung ausgewählte Welt, gibt es schlechterdings nichts, was Gottes freie Allmacht nötigen oder auch nur einschränken könnte; es bedeutet keinerlei Einschränkung, daß jede mögliche und wirkliche Schöpfung «gottgemäß», biblisch gesprochen «nach dem Bild und Gleichnis Gottes» ausfallen wird. Weil Gott ewig sich selber gemäß ist, wird auch das Geschaffene nicht in sich widersprüchlich sein können, was evidentermaßen nicht heißt, daß Gott als Schöpfer sich nach dem «Satz vom Nichtwiderspruch» richten muß. Er richtet sich einzig nach sich selbst.
Sofern wir im Gott Jesu Christi, den dieser seinen Vater nennt, die unfaßliche Allmacht erkennen, alles Seinige dem Sohn hinzugeben, entdecken sich uns die göttlichen Eigenschaften der Güte («Einer ist gut: Gott», Mt 19,17), der Liebe, die aber keine unbedachte, sondern nur eine absolut richtige («rectitudo»), (ge-)rechte und weise sein kann und zugleich jenes unerforschlich Grundlose, weil durch nichts als sich selber «Genötigte», Bestimmte: welche Grundlosigkeit des göttlichen Wollens und der göttlichen Liebe seine Heiligkeit ist. Und weil alle diese neu erkannten Eigenschaften Gottes voneinander (und somit auch von der göttlichen Allmacht) untrennbar sind, vielmehr nur Attribute der einen, einzigen, personalen Gottheit, deshalb wird, wenn dieser Gott eine Welt und in ihr ihn erkennende Wesen schaffen wird, der ganze Kranz der göttlichen Attribute sich kreatürlich abspiegeln müssen, so freilich, daß das Geschöpf – auch und gerade in seinem Freigesetzt- und Selbstmächtigsein – hinbezogen bleibt auf das göttliche Richtige (Gerechte) und Weise, das zuletzt die Macht oder die Freiheit zur Liebe ist. Das Geschöpf ist durch Gottes Allmacht und Liebe freigesetzt, um seinerseits die (in Gott wesensmäßig begründete) Hinordnung auf die Richtigkeit Gottes von sich her, ungezwungen und frei vollziehen zu können.
Aber da das Geschöpf sich nicht selbst gesetzt hat, sondern sich als ein Gesetztes dem setzenden Gott verdankt, gibt es in ihm eine Unterscheidung zwischen seiner (Geist-)Natur und der Selbstbejahung dieser seiner Natur: Es ist frei und mächtig, seine Hinordnung auf die Richtigkeit Gottes als richtig anzuerkennen und sie zu befolgen – oder sie abzulehnen, und damit die ihm übergebene Macht außerhalb des Gesamt der gottebenbildlichen Eigenschaften zu verwenden: Eine solche durch geschöpfliche Freiheit isolierte Macht wird böse.
Hier ist sogleich beizufügen, daß ein solcher Mißbrauch der übereigneten Macht in keiner Weise aus dem Bereich der göttlichen Allmacht (und der ihr verbundenen göttlichen Eigenschaften) herausfällt. Der geschöpfliche Mißbrauch der Macht ist eine von Gottes Allwissen und Weisheit je schon erkannte Möglichkeit, die innerhalb seiner allmächtigen Vergabung von Macht liegt. Und da die ursprüngliche, innergöttliche Vergabung von Macht in der Übergabe der Allmacht durch den Vater an den Sohn liegt, wird auch – so belehrt uns die Heilige Schrift – die allmächtige und freie Überholung dieses Mißbrauchs von Macht, der Sünde also, den göttlichen Sohn und seine Allmacht in besonderer Weise angehen. Darüber werden wir im dritten Teil zu handeln haben.
Aber nochmals zurück zum Verhältnis Gott und Geschöpf. Schon der Blick auf die innergöttlichen Hervorgänge lehrt uns, daß Gott in höchstem Grad ein Lebendiger ist. So bezeichnet ihn die Bibel immerfort, im Gegensatz zu den toten Götzen; er ist es aber auch gegenüber einem philosophischen Begriff eines in sich starren, unbeweglichen «Absoluten». Seine höchste Lebendigkeit läßt ihn zum Urbild alles dessen werden, was in der Welt die Lebendigkeit des «Werdens» hat; doch ist die göttliche Lebendigkeit nicht eine solche des Werdens, sondern des Seins, das die Freiheit und Macht hat, sich in allen unbeschränkten Dimensionen seines Wesens zu bewegen, alle Fakultäten seiner Geschöpfe in unendlichem Grade zu besitzen: «Er, der das Ohr gepflanzt hat, sollte nicht hören?, der das Auge geformt hat, sollte nicht sehen?» (Ps 84,9.) Gott ist keineswegs bloß das Allgemeine (wie oft der «Gott der Philosophen» gedacht wird), sondern durchaus auch das Besondere: was ist so besonders wie der Sohn gegenüber dem Vater, der Geist gegenüber Vater und Sohn? Das Besondere in seiner «Andersheit» ist gut, es ist in Gott nicht «Beschränkung» (ist doch der Sohn der gleiche Gott wie der Vater), sondern Bestimmtheit, die sich positiv vom Vagen des Allgemeinen abhebt. Diese trinitarische Bestimmtheit Gottes ist die Voraussetzung dafür, daß es zugleich flutendes Leben sein kann, was für einen bloß «monotheistischen» Gott nicht vorstellbar ist. Deshalb ist die Schöpfung in ihrer unabsehbaren Vielfalt nicht nur ein Kunststück der göttlichen Allmacht, sondern kann von Gottes Weisheit und Liebe als «sehr gut» eingeschätzt werden.
Diese Vielfalt der Welt ist kein bloßes Gewimmel, sondern besitzt in sich eine (Hin-)Ordnung, die ihr selber nicht von vornherein durchsichtig zu sein braucht. Sie ist bei weitem nicht etwa bloß die Ordnung der «Naturgesetze», die die Heiden, das Firmament betrachtend, als das höchste Vorbild von Ordnung überhaupt nahmen und der chaotischen Geschichtswelt der Menschen überordneten. Nein, das Geistgeschöpf hat eine perspektivische Tiefe, sozusagen eine vertikale Ordnung, in der es über sich (als bloße «Natur») hinaus immer neu auf übergeordnete Ziele hin ausgerichtet werden kann. Darin erst wird es zum Abbild der göttlichen Lebendigkeit, und es wird zu diesem Abbild auch erst durch die immer neue allmächtige Initiative des mit ihm redenden, an ihm handelnden Gottes. Als sich selbst kennende Natur tastet der Mensch blind über seine Beschränktheit hinaus; er ist als ein «Suchender» (Apg 17,27) angelegt, und Gott allein weiß, wie er ihn finden (oder gefunden werden) lassen wird: durch die scheinbar will-kürliche Wahl eines Besonderen, nämlich Abrahams, dann Israels, von dem Gott sich finden läßt; aber diese Wahl meint von vornherein das Ganze der Menschheit («durch dich werden sich alle Völker der Erde segnen»: Gen 12,2), was offenbar wird, wenn das Volk zu dem einzigen Erwählten Jesus Christus zusammenschmilzt, in dem das wahre Ziel der geschaffenen Natur für alle vorweg erreicht wird: die Auferstehung des Fleisches, etwas von der bloßen Natur aus Unabsehbares, das den Tod des Endlichen umwertet in etwas Übernatürlich-Göttliches: «In deine Hände übergebe ich meinen Geist» ist die Tat, die Gott von der Welt erwartet hat, um ihr Heimatrecht in seiner ewigen Lebendigkeit zu geben. Denn jetzt wird – immer durch Gottes Allmacht – sichtbar, daß auch das demütigste Besondere in diesem Meer des göttlichen Lebens Lebensraum hat, ohne sich (wie Hegel meint) als Besonderes auflösen zu müssen. Weil also Gott die Allmacht hat, sich auch zu etwas Besonderem entschließen und es wählen zu können – und darin besteht das theologische Grundgesetz der Weltgeschichte –, deshalb kann das Weltlich-Besondere, scheinbar durch seine Begrenztheit und Sterblichkeit zum Untergang im Allgemeinen, Gattungshaften, in der anonymen «Natur» verurteilt, über sich hinaus und doch als es selbst in seiner ganzen Leibhaftigkeit hineingeborgen werden in das All-Leben Gottes.
2. Die Macht des Geschöpfs angesichts Gottes
Die fürchtenswerten Fragen, die hier aufbrechen, sollten imgrunde nur für Philosophen, nicht für christliche gläubige Theologen so fürchterlich sein. Muß es, wenn die göttliche Freiheit und Allmacht in einen Gegensatz gerät zu der von Gott freigegebenen Macht des Geistgeschöpfs, nicht zu tragischen Situationen kommen? Denn wenn Gott ernsthaft freiläßt, gibt er damit nicht aus der Hand? Oder wenn er, da er allmächtig ist, nicht aus der Hand geben kann, überwältigt und vergewaltigt dann nicht seine Allmacht schließlich doch das Freigelassene?
Beginnen wir mit einer noch ganz undramatischen Feststellung. Wenn es wahr ist, daß ein Geschöpf um so weiser ist, je mehr es an der göttlichen Weisheit Anteil hat (Salomo in seinem Gebet um die Weisheit hat das gewußt), wenn es um so gütiger ist, je mehr es an Gottes Güte Anteil hat («seid barmherzig, wie euer Vater barmherzig ist» Lk 6,36), muß dann nicht auch wahr sein, daß es um so freier ist, je mehr es an Gottes absoluter Freiheit teilerhält, und entsprechend mit Macht und Allmacht? Menschliche Freiheit richtete sich dann, um recht zu handeln, nicht an irgendeiner abstrakten Idee oder einem abstrakten «Wert» des Guten aus, sondern an dem konkreten Guten, das Gott ist, und zwar Gott nicht als ein eingebildetes Allgemeines, sondern Gott immer auch in der je-besonderen Wahl seines Willens für dieses je-besondere Geistgeschöpf. «Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden», wie in Dir so in mir. Nur der im Evangelium so genannte «Knecht» empfindet diesen Gehorsam als eine Entfremdung seiner Freiheit, eben weil er zu Gott als ein Fremder steht; der «Freund» oder das «Kind» des Vaters weiß, daß der väterliche Wille die Norm alles Guten ist, und erhält im Tun des Willens des absolut Weisen, Freien und Guten seine eigene höchste Freiheit und Güte. So einfach ist das für ein Kind Gottes. Das Wort «Gehorsam» ist ihm eigentlich unvertraut, weil darin das Knechtsverhältnis anklingt, über das es in seiner Vertrautheit mit dem ihm nahegelegten Guten hinaus ist.
Wo sich aber kreatürliche Freiheit und Macht aus der Beziehung zu Gott herauslöst, was in der Erbsünde und erst recht in der persönlichen Sünde geschehen ist, da treten die Freiheiten und Mächte in Konflikt zueinander. Oder besser gesagt: da setzt sich die geschöpfliche Freiheit und Macht in eine Konfliktsituation zu Gott. Gerät aber deshalb Gott selber in Konflikt? Mit sich selbst? Gewiß nicht, da er doch diese Situation ewig vorausgesehen und als Folge seiner Freigabe auch gewollt hat, was durchaus nicht heißt, daß er die Sünde des Geistgeschöpfs gewollt hat. Aber in Konflikt mit dem Geschöpf? Auch das kann man nicht sagen. Das Geschöpf setzt sich in Konflikt zu ihm, was weder Gottes Weisheit noch seine Freiheit und Allmacht einschränkt. Die Probleme, die hier von den Theologen aufgetischt werden, gehen alle von der fixen Idee aus, daß der allgütige Gott, der die Geschöpfe zu ihrer Seligkeit in der seinen bestimmt hat, sich «nachträglich» durch das revoltierende Geschöpf veranlaßt sieht, seine Güte hintanzustellen und seine Gerechtigkeit hervorzukehren, die ihn zwingt, dort zu verdammen, wo er lieber beseligt hätte.
Es wird gut sein, sich hier zunächst an das Gesagte zu erinnern, daß Gottes Richtigkeit («rectitudo») sowohl das in sich schließt, was wir Güte oder Erbarmen, wie das, was wir Gerechtigkeit nennen. (Israel hatte, wenn auch erst in einem vorläufigen Sinn, ein gutes Empfinden für diese Identität in seinen Begriffen wie mishpat oder sedek). Augustin – gerade er! – hat es als Christ schon erkannt: «Glaubt nicht», schreibt er anläßlich der beiden Begriffe, «sie könnten in Gott irgendwie getrennt werden. Zwar scheinen sie sich zuweilen gegensätzlich gegenüberzustehen, so daß der Barmherzige die Gerechtigkeit nicht beibehält, und der auf das Gericht Versessene die Barmherzigkeit vergißt. Aber Gott ist allmächtig, er läßt im Erbarmen die Gerechtigkeit nicht fahren und ebensowenig im Gericht das Erbarmen» (En. in Ps 32, zu V. 5). Anselm wird zum Klassiker dieses Gedankens werden. Für ihn ist Gott der «allerhöchst und unergründlich Gute» und als solcher der Rechte und Gerechte und gleichzeitig der schlechthin Barmherzige: «Bist Du barmherzig, weil Du höchst gut bist, aber kannst Du nicht höchst gut sein, außer wenn Du höchst (ge-)recht bist, dann wahrhaftig bist Du barmherzig, weil Du höchst (ge-)recht bist»: «Deine Barmherzigkeit gebiert sich aus Deiner Gerechtigkeit» (Proslog. 9). Würde dies im Alten Bund noch fragwürdig bleiben (wo Gott die Gottlosen unbarmherzig straft), so wird es vom Höhepunkt der christlichen Offenbarung her verständlich, wo im Kreuz Christi die höchste Gerechtigkeit der Weltsünde gegenüber schlechthin zusammenfällt mit der höchsten Barmherzigkeit Gottes für die Sünder. Dieser Zusammenfall ist freilich keine für den menschlichen Verstand durchschaubare platte Tatsache; Anselm weiß das sehr wohl, wenn er von der «verborgensten Quelle Deiner Güte» spricht, aus der «der Strom Deines Erbarmens fließt», und hinzufügt: «Auch wenn es schwer einzusehen ist, wie Dein Erbarmen nicht ohne Deine Gerechtigkeit ist, so muß es doch notwendig geglaubt werden, da der Gerechtigkeit etwas nicht fremd sein kann, das aus der Gutheit ausströmt, die ihrerseits ohne Gerechtigkeit nichtig wäre, vielmehr mit ihr zusammenstimmt.»
Wir folgern hier nur zweierlei daraus. Zuerst, daß auch die Macht des Bösen nicht aus der Allmacht Gottes herausfällt. Das wissen schon die Psalmen genau, und die Apokalypse zeigt es in abschließenden Bildern. Aber auch der Sündigende wirkt sein widergöttliches Werk innerhalb der göttlichen Allmacht, die sich nicht widerspricht, da sie ihm seine geschöpfliche Freiheit freigegeben hat. Würde der Sünder seine Tat auch nicht ohne Gottes Allmacht wirken können, so steht diese doch, auch wenn seiner Tat immanent, (gerade deswegen) hoch erhaben über sie. Was ihr in der Tat des Sünders widerspricht, wirkt nicht sie, sondern das Geschöpf, aber daß dieses wirkt, verdankt es sowohl der Allmacht wie der gütigen Freigabe Gottes.
Daraus folgt nun das Zweite: daß der Sünder sich aufgrund seines eigenen Entschlusses von Gott entfernt und ihm den Rücken kehrt, daß also nicht Gott ihn verwirft, sondern er Gott verwirft. Freilich wird das alttestamentliche Bild vom über Gute und Böse richtenden Gott vom Neuen Testament übernommen, und dies mit Recht, so daß diese Selbstverurteilung des Sünders von der Souveränität des göttlichen Beschlusses und der göttlichen Entscheidung hoch überragt wird. Dies muß die sündigende Menschheit über Gottes Wege unbedingt wissen. Nicht offenbart ist ihr in dieser der Sünde preisgegebenen Weltzeit, ob Gott Wege kennt und begehen wird, auch jene Gottlosen, die ihm freiwillig und (für sie) endgültig abgesagt haben, ohne sie durch seine Allmacht zu überwältigen, heimzuholen. Wir wissen im Glauben nur, daß der Sohn Gottes, von der Liebe des Vaters für die Welt preisgegeben, für alle Sünden gebüßt hat. Aber ihm allein ist es vorbehalten, über alle ihm Zugekehrten und von ihm Abgekehrten in seiner Allmacht zu richten: «omnis potestas in coelo et in terra» (Mt 28,18), «ut in nomine Jesu omne genu flectatur, coelestium, terrestrium et infernorum» (Phil 2,10).
3. Ohnmacht Beweis der Allmacht
Gott läßt den Sünder gewähren, wenn dieser die Macht aus dem göttlichen Zusammenhang von Güte, Gerechtigkeit und Erbarmen herauslöst und sie als nackte Macht zur bösen Macht werden läßt. Gott hat aber eine Antwort auf dieses Treiben. Er selber tritt in die Weltgeschichte ein, indem er nicht nur für die von der nackten Macht Unterdrückten, die «Witwen und Waisen» des Alten Bundes, Partei ergreift, sondern als der Knecht Jahwes, der, zur Schlachtbank geführt, seinen Mund nicht auftut, selber in diese Partei eintritt.
Paulus spricht bei dieser Gelegenheit von «Kenose», Ausleerung. Heißt das, daß Gott, in Jesus Christus Mensch werdend, sich seiner göttlichen Allmacht begibt? Gewiß nicht. Paulus sagt, der Sohn Gottes habe an seiner Gottgleichheit nicht «wie an einem Raub», ein an sich Gerissenes «festhalten zu müssen» geglaubt, was ja gegen die anfangs beschriebene vollkommene Freiheit Gottes, er selbst zu sein, verstoßen hätte, zumal auch gegen die besondere Freiheit des ewigen Sohnes, die Gottheit nicht anders denn als ein Geschenk des ihn zeugenden Vaters zu besitzen. Infolgedessen ist seine «Aufsichnahme der Knechtsgestalt» nichts, was seiner Gottheit und Allmacht widerspricht, sie vielmehr gerade bestätigt: Gott wäre nicht allmächtig – über Alles, auch in der Welt und all ihren Möglichkeiten mächtig –, wenn er das nicht gekonnt hätte. Nur muß man bei dieser «allmächtigen Kenose» erkennen, daß der Sohn die Knechtsgestalt nicht als der Sünder annimmt, der Gott nicht gehorcht, sondern als der dem Vater Gehorsame, und deshalb (wie unser zweiter Teil zeigte) als der Freie, der deshalb innerhalb seines wirklichen Knechtseins auch der wirkliche Herr bleibt: «Ihr nennt mich Herr und Meister, und ihr sagt das mit Recht, denn ich bin es. Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe» (Joh 13,13f.), das heißt wirklichen Sklavendienst an euch getan habe, dann habe ich «euch das Beispiel gegeben». Der wirklich eingenommene «letzte Platz» verweist auf die vollkommene Freiheit und Allmacht dessen, der ihn gewählt hat.
Weshalb gewählt? Weil dies das Mittel war, gegen die isolierte und deshalb böse Macht in der Welt vorzugehen. Nicht nur ein ethisches und politisches Exempel zu statuieren – das auch! –, sondern darüber hinaus den Weg Gottes selbst zu beschreiten, auf dem er seine Allmacht über die «Mächte und Gewalten, die Herrscher dieser finstern Welt» (Eph 6,12) «triumphierend» (Kol 2,15) kundtut. «Die Machtinhaber lassen sich Wohltäter nennen; nicht so sei es bei euch», vielmehr sei «der Größere wie der Geringere, und der Leitende wie der Diener» (Lk 22,25f.). Darin liegt zweierlei: einmal die Wiederherstellung des trinitarischen Urbilds, in dem die höchste Macht sich in der höchsten Hingabe zeigt, dann aber auch in der Entgegenstellung des ohnmächtigen Sklavendienstes gegen die Scheinmacht der abstrakten Gewalt. Beides aber gehört so sehr zusammen, daß sich in der Ohnmacht («bis zum Tod am Kreuz») die vollkommene Allmacht Gottes über die Macht der Sünde offenbart. Gerade weil die böse Macht sich selbst aus allen positiven Eigenschaften Gottes und seines kreatürlichen Ebenbilds herausabstrahiert hat, ist sie zur Endlichkeit verurteilt: Sie tobt ihre Kräfte am Ohnmächtigen so lange aus, bis sie zu Ende sind. Gregor von Nyssa hat diese Endlichkeit der abstrakten Macht eindringlich gesehen: Das Gute muß nach ihm bis an die äußerste Grenze des Bösen vordringen, um es, sie überschreitend, zu besiegen.1 Überschritten wird diese Grenze, wo der gekreuzigte Sohn unter dem Hohngelächter der Welt und seinem Empfinden nach vom göttlichen Vater verlassen, in Ohnmacht stirbt, aber an dieser äußersten Grenze seinen ganzen Sohnesgehorsam wahrt und ihn sterbend dem Vater zuhaucht. Mehr noch: überschritten wird die Grenze, indem der Sterbende das hinter ihm Zurückbleibende mit sich über die Grenze nimmt: «Heute wirst du mit mir im Paradies sein», wird dem Einen zugesagt, der hier die ganze Räuberbande der Menschheit repräsentiert. Wo ist die Allmacht Gottes offenkundiger, der es nicht nur gewollt, sondern gekonnt hat: «die Welt durch Christus mit sich zu versöhnen» (2 Kor 5,19)?
Die Folgen für das Christsein daraus zu ziehen, ist nicht mehr Sache dieses Artikels. Nur soviel sei gesagt, daß christliche Kirche niemals abstrakte Macht anstreben darf, um aufgrund ihrer die evangelische Lehre vom Kreuz wirksamer zu verkünden oder gar (gewaltsam) durchzusetzen. Daß aber anderseits Nachfolge Christi auch nicht ausschließlich Kreuzesohnmacht bedeutet, wohl aber tagtäglich gelebte Sendung, die einen Tod gegenüber dem eigenen Machtwillen bedeutet, um einzig aus dem erbarmenden Willen des Allmächtigen zu leben, zu wirken und zu sterben.
- Alle Texte bei J. Daniélou, L’être et le temps chez Grégoire de Nysse. Leiden 1970, S. 186-204.↩
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