menú
Der dreieinige Gott als Schöpfer
Theologische Meditation
Hans Urs von Balthasar
Título original
Der dreieinige Gott als Schöpfer
Obtener
Temas
Ficha técnica
Idioma:
Alemán
Idioma original:
AlemánEditorial:
Saint John PublicationsAño:
2022Tipo:
Contribución
Heute sträubt sich ein durchschnittliches Bewusstsein gegen den Gedanken, die Welt sei geschaffen, nicht bloß darum, weil es sich gern mit der Ideologie der Evolution begnügt – ein Urknall, und daraus entsteht mit der Zeit eine schöne Kuhweide und Goethes Faust, aber warum knallt es plötzlich mitten im Nichts? – auch nicht bloß darum, weil der Schöpfungsgedanke so eng mit der biblischen Vorstellung zusammenhängt – und diese scheint etwas Unerklärliches mit einem noch Unerklärlicheren erklären zu wollen –, das heutige Bewusstsein sträubt sich gegen den Schöpfungsgedanken vor allem, weil die Welt aussieht, wie sie eben aussieht. Ein Riesenhaufen von Schmutz, materiellem und vor allem geistigem: schändliche Ungerechtigkeit größten Stils, mehr Hunger als Völlerei, mehr Hass als Wohlwollen, Kriegsrüstungen, die den ganzen Unsinn in die Luft zu jagen planen, tägliche monströse Katastrophen, ununterbrochene Ketten von Not, Schmerzen und Tod, zwischen denen hindurch Reisebüros «Traumfahrten» in «Traumländer» organisieren.
Wer weiß einen Ausweg? Zwei – wie es aussieht –, aber die Glaubwürdigkeit des ersten ist schwer angeschlagen. Eine bessere Zukunft verheißt uns der Kommunismus, aber die ersten Schritte in der Richtung sind so wenig verheißungsvoll, dass sogar die Fans des Evolutionismus skeptisch geworden sind. Und das zweite? Raus aus der Bude! Nobler gesagt: die Welt, wie sie uns erscheint, ist eine riesige Illusion; freilich, sagt Buddha, ist sie nicht nur leidvoll, sondern selber wesentlich Leid. Also Techniken anwenden, diese Illusion, zu der vor allem auch das eingebildete eigene Ich gehört, zu übersteigen oder zu unterwandern. Manche europäische Zen-Fans wissen gar nicht, wie blutig ernst es der buddhistischen Askese und Meditation mit der Zerstörung dieser ganzen Scheinwelt ist. Dasein, sagt Buddha, ist Durst: nach Macht, nach Genuss, nach Ichsein, Selbstbehauptung, Sich-Durchsetzen; und wer einen Blick hinter die Kulissen unserer Politik, Weltwirtschaft und Wohlstandsfabrikation wirft, kann nur staunen, wie recht er offenbar hat. Aber für ein Durchschnittsbewusstsein ist dieser Pfeffer zu stark, also machen wir weiter mit ein bisschen Abrüstungspolitik und Umweltschutz, und sehen wir mal zu, was für befriedigendere Menschen die Biochemiker uns fabrizieren. Eine sanfte Zwischenlösung: Wer soll das ernstnehmen?
Buddha hat die Auskunft darüber verweigert, warum es überhaupt diese leidvolle Welt gibt. Marx interessiert sich nicht dafür, weshalb eine Materie existiert, die sich entwickelt und die man von jetzt an zielstrebig entwickeln kann.
Niemand, außer die Bibel mit ihrem freischaffenden Gott, weiß eine Antwort auf die Frage, warum es überhaupt etwas gibt. Einen andern Ursprung der Dinge als Gottes freie Setzung findet keiner. Aber in der Bibel selbst ertönt der Schrei zu diesem Gott empor: Warum lässt du uns so leiden, mehr als was wir Schuldige verdienen? Warum greifst du nicht ein? «Warum höhnen die Feinde: Wo ist er denn, euer Gott?» Schön, die Schöpfung ist ein – notwendig zu glaubendes – Geheimnis. Aber ist damit schon die Frage beruhigt: Warum muss sie so trostlos aussehen? Nun ist eines gewiss: Je lauter der Mensch schreit, umso weniger wird er eine Antwort vernehmen. Es könnte sein, dass diese so leise ist, dass man sie überhört. Der Gott Jesu Christi hat über seinen in die Welt geschickten Sohn gesagt: «Er wird nicht zanken, noch schreien, niemand wird auf den großen Straßen seine Stimme hören, das geknickte Rohr wird er nicht brechen und den glimmenden Docht nicht löschen.» Und er ist überhaupt nicht gesandt, um Erklärungen über das Leid der Welt abzugeben, sondern ganz einfach, um es mit uns, ja (wenn wir genauer hinhören) für uns zu tragen. Möge der Leser, um etwas von der Kunde Gottes zu vernehmen, seinen dröhnenden Ich-Gong dämpfen (1 Kor 13,1), um das leise Wort «Liebe» zu erhorchen, das auf dem letzten Grund alles Seins tönt, nur für Schweigsame hörbar.
Das Innerste, nach christlicher Kunde, ist Liebe. Das Absolute und alles umfassend Begründende ist Liebe, und Liebe kann es nur geben, wenn einer liebt, einer geliebt wird und wiederliebt und beide, ohne ineinander zu zerfließen, eins werden können. Das ist die christliche Kunde, nicht «über» Gott, sondern kommend von Gott, eine Kunde, in der Gott sich selber als die Liebe beweist. Nach dem Evangelisten Johannes hat Gott dies bewiesen, und zwar strikt durch den einzig möglichen und schlüssigen Beweis: indem Gott als der liebende, väterliche Ursprung von allem den Spross seiner Liebe in Welt, Leid und Tod gesandt hat, um den Schmerz der Welt in seine Liebe innerlich einzubergen und den Gesandten dann in ihrer gemeinsamen Liebe, dem Liebesgeist, mitsamt der leidenden Welt in sich zurückzuholen. Alles bis zur Ankunft des «Sohnes» war Vorbereitung, Hinweg, Zugang, alles seit ihm ist Auswirkung, auch wenn es lärmender Protest ist. «Seid getrost, ich habe die Welt besiegt.»
Hält diese scheinbar phantastische Kunde stand vor dem kruden Realismus der wirklichen Welt? Auf das vorher Gesagte zurückgreifend, sei dagegen gefragt: Hat die Welt eine plausiblere Antwort, überhaupt den Schimmer einer Antwort bereit? Wenn nicht, dann hören wir doch nochmals genauer hin.
Gesetzt, es ist wahr: Gott sei die Liebe (nur aufgrund des gegebenen Beweises), dann steht ein erstes fest: Dieser Gott, der die Liebe ist, ist Einer (und nicht drei Götter, was widersinnig wäre), und wenn er Einer ist, dann ist der aus Liebe aus dem Ursprung, aus dem «Vater» Gezeugte nicht weniger wesentlich, nicht weniger göttlich die Liebe als jener. Und dann ist auch die Liebeseinheit beider, in der sie ihr Anderssein oder Gegenübersein übersteigen, und die mehr ist als nur «der eine plus der andere», nämlich die Umarmung der Liebe selbst, nochmals nicht weniger wesentlich, nicht weniger göttlich die Liebe als der Zeugende und der Gezeugte. Wenn sie (der Plural ist unvermeidlich, aber nicht wie von weltlichen Dingen zu verstehen) eine Welt zu erschaffen beschließen – nicht notwendig, sondern frei –, so kann dieser Beschluss nur ein «dreieiniger» (wie man sagt) sein; keinesfalls ist es der «Vater» allein, der es beschließt und den Beschluss ausführt und nachträglich dann seinen «Sohn» in die Welt schickt, um ihr Leid und ihre Schuld zu tragen, und schließlich den «Geist», um alles heimzuholen. Eine solche Ansicht würde den «Vater» zum eigentlichen Gott über die beiden andern erhöhen, die wie Diener seine Befehle ausführen würden. Und dann wären wir in einer unverständlichen Mythologie.
Öffnen wir die endgültige Urkunde von Gott (das sogenannte Neue Testament, den Abschluss des Bundes Gottes mit der Welt), so wird diese Mythologie dadurch widerlegt, dass der «Sohn» genau so weltschaffend erscheint wie der Vater («Alles ist durch ihn geschaffen, und ohne ihn ward nichts von dem, was geworden ist»: Joh 1,2-3; «Jesus Christus, durch den alle Dinge sind und auch wir durch ihn»: 1 Kor 8,6; «in ihm ist alles erschaffen, … alles ist durch ihn und für ihn erschaffen»: Kol 1,16), und dass der göttliche Geist als «creator spiritus» überall der die göttlichen Absichten in Wirklichkeit Umsetzende ist: bei der Menschwerdung etwa, bei der Auferstehung, bei der Bildung der Kirche an Pfingsten, bei der Einbergung jedes Einzelnen in die göttliche Liebe, «denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist» (Röm 5,5).
Diese Einheit und Einigkeit der göttlichen Liebe muss vorausgesetzt werden, wenn wir das nunmehr Entscheidende erfassen wollen: warum überhaupt eine Welt von Gott gewollt und ins Werk gesetzt werden konnte. Dazu braucht es ein Motiv. Dieses kann nicht darin liegen, dass Gott einer Welt bedurfte, sei es, um Gott in seiner ganzen Fülle zu sein, sei es, um einen Gegenstand der Liebe zu haben. Beides würde Gott von der Welt abhängig machen und ihn damit seines Gottseins berauben. Er wäre ein Bedürftiger, brauchte etwas anderes, um er selber zu sein. Man hat deshalb das Motiv anders auszudrücken versucht und gesagt: Er schafft eine Welt, um sich in ihr zu «verherrlichen», andere, nichtgöttliche Wesen von seiner unfasslichen Größe zu überzeugen und sich von ihnen anbeten und – da sie einen Anteil an seinem Sein erhalten – auch lieben zu lassen.
Aber Anteil erhalten an seinem Wesen kann nur heißen: Anteil erhalten an seiner dreieinigen Liebe. Und erst hier kommen wir dem eigentlichen Motiv der Weltschöpfung auf die Spur, und zwar indem wir dieses Motiv in Gott selbst je vom «Vater», vom «Sohn» und vom «Geist» aus betrachten und die Frage stellen: Warum erschafft der «Vater» eine Welt, warum der «Sohn», warum der «Geist»? Und im Grunde ist in der Frage schon die Antwort gegeben.
Der «Vater» ist die absolute Liebe zum «Sohn» (im gemeinsamen Heiligen Geist). Also kann der «Vater» eine Welt nur ins Auge fassen zur Verherrlichung des «Sohnes», als Geschenk an ihn. Um «in ihm als dem Haupt alles zusammenzufassen» (Eph 1,10), um «in ihm die ganze Fülle wohnen zu lassen», ihn «an die Spitze von allem» zu stellen (Kol 1,19.17), ihm «alle Feinde als Schemel unter die Füße zu legen» (Hebr 10,13). «Alles hat er ihm zu Füßen gelegt und ihn zum alles überragenden Haupt der Kirche gemacht; sie ist sein Leib, erfüllt von ihm, der alles in allem erfüllt» (Eph 1,22 f.).
Aber damit diese den «Sohn» beglückende Fülle sinnvoll wäre, musste das Geschöpf frei und bewusst sein, und damit kam die Gefahr ins Spiel, die Schöpfung möchte ihre eigenen Wege gehen und Gottes Absichten vereiteln. Hier muss von der Liebe des «Sohnes» zum «Vater» die Rede sein: Seine Liebe stellt sich zur Verfügung, damit die Urabsicht des «Vaters» sich erfülle, er steht gut dafür bis zum Kreuz, bis zur Übernahme der ganzen Gottentfremdung der Welt, damit schließlich die Liebesabsicht des «Vaters» gelinge und der «Sohn» nach Überwindung aller Feinde – «der letzte ist der Tod» – dem «Vater» das vollendete Reich zu Füßen lege, «damit Gott, der Vater, alles in allem sei» (1 Kor 15,24.26). Wenn also der «Vater» das All auf den «Sohn» hin geschaffen hat und alle Evolution und Geschichte auf ihn zuläuft, so hat der «Sohn» die gleiche Welt geschaffen, damit die unvorstellbare Liebe seines «Vaters» («der Vater ist größer als ich») allen sichtbar werde. Das Kreuz mit seiner Gottverlassenheit ist ihm kein zu teuerer Preis für die Durchführung dieser Absicht.
Noch bleibt der Beweis zu erbringen, dass die gegenseitige Liebe von «Vater» und «Sohn» die Liebe des «Geistes» ist, und die Weltabsicht des «Geistes» kann in all seinem Weltwirken keine andere sein als die Verherrlichung dieser gegenseitigen Liebe. Er kann sie einmal unwiderleglich gleichsam von außen der Welt «zu Bewusstsein bringen», indem er sie «überführt», dass «der Fürst dieser Welt schon gerichtet ist» (Joh 16,8-11); er kann sie noch unwiderleglicher von innen her den sich der Liebe Erschließenden öffnen, indem er sie «über alles belehrt», «so wie es wahr und keine Lüge ist» (1 Joh 2,27). Diese innere Belehrung erfolgt im Innern der Gottheit selbst («dass Gott in uns bleibt, erkennen wir an dem Geist, den er uns gegeben hat»: 1 Joh 3,24); denn die Vollendung des ganzen Planes des dreieinigen Gottes liegt darin, uns Anteil zu geben an der innergöttlichen Zeugung des «Sohnes», die «Gottgeburt» (Joh 1,13), in der wir nicht aufhören, Kreaturen zu sein, aber in den Kreislauf der absoluten Liebe einbezogen sind und im «Abba-Vater»-Sagen mit dem «Sohn» zusammen den «Heiligen Geist» zum «Vater» «zurückhauchen», ihn aber auch in der Welt dem Nächsten «zuhauchen» können, denn der «Geist» meint immer Mitteilung.
Dies alles klingt in einer realen, zum großen Teil gottlosen oder doch gottfremden Welt beinah märchenhaft. Aber die Menschen, die von dieser Wahrheit sich ergreifen und verwandeln ließen, die «Heiligen», sind doch weithin die vorbildlich gelungenen Menschen gewesen. Man begeistert sich für einen Franz von Assisi, aber wie ist er ohne die Wundmale Christi, die ihm von einem Seraph, einer Gestalt des «Heiligen Geistes», zugefügt worden sind, denkbar? Man singt seinen «Sonnengesang», das Lob aller Kreatur, einschließlich dem Tod (und damit allem in der Welt vorhandenen Leid), aber man bedenkt nicht, dass diese Liebe zur geschaffenen Welt aus der Liebe stammt, mit welcher der dreieinige Gott diese Welt liebt. Oft genug sind große Heilige von einer rein innerweltlichen Liebe aufgestiegen zur dreieinigen (ein Augustinus, ein Ignatius); in jener lag ein flüchtiger Hinweis, der weiter und über sich hinaus wies auf das, was in Wirklichkeit einzig den Namen Liebe verdient, und auch im letzten die Schöpfung rechtfertigt, ob sie es selber versteht oder nicht.
Otras contribuciones de la misma etapa