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Warum ist Maximus Confessor noch nicht Kirchenlehrer?
Hans Urs von Balthasar
Título original
¿Por qué Máximo el Confesor no es todavía Doctor de la Iglesia?
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Ficha técnica
Idioma:
Alemán
Idioma original:
UcranianoEditorial:
Saint John PublicationsAño:
2023Tipo:
Artículo
In der östlichen katholischen Kirche nimmt Maximus Confessor (580-662) eine ganz ähnliche Stellung ein wie Augustinus in der westlichen. Er bildet eine die früheren theologischen und spirituellen Bemühungen krönende Synthese von einzigartiger Kraft und übersteigt in der Fülle und Breite seiner Zusammenschau bei weitem die von ihm zusammengefassten Elemente. Ohne seine einigende Kraft wäre die östliche Theologie wohl endgültig in einzelne einander bekämpfende oder ignorierende Strömungen auseinandergefallen, was bei der spekulativ-bohrenden Eigenart des griechischen Denkens, wo es um haarscharfe, aber doch wesentliche Nuancen ging, viel folgenreicher und verheerender gewesen wäre als bei den vergleichsweise massiven Irrlehren, denen Augustinus im Westen zu begegnen hatte: Manichäismus, Donatismus, Pelagianismus. Diese waren nacheinander durch die überlegene Höhe Augustins überwindbar, wenn auch mit steigender Schwierigkeit und Anstrengung: der Manichäismus relativ leicht, weil das Böse kein gleichewiges Gegenprinzip gegen Gott sein kann, der Donatismus mit größerer geistiger Anstrengung, weil der Gedanke, nur der Priester könne den Heiligen Geist weitergeben, der ihn selber habe, eine teilweise Berechtigung besaß und als solcher in der orthodoxen Überlieferung verankert war, der Pelagianismus am mühsamsten, weil der greise Augustinus trotz seiner Grundüberzeugung, dass schließlich alles der göttlichen Gnade zu verdanken sei, die Kraft nicht mehr hatte, dem Mysterium ihres Zusammenspiels mit der menschlichen Freiheit hinreichend offenen Raum zu lassen, so dass an seinen letzten, zum Teil einseitigen Formulierungen die großen abendländischen Häresien – der doppelten Prädestinationslehre durch das Mittelalter bis hin zur Reformation und zum Jansenismus – anknüpfen konnten.
Nichts dergleichen folgte auf die überlegene Synthese, die Maximus als krönenden Abschluss der östlichen patristischen Spekulation aufzuführen verstand und in die er – in einem fast unbegreiflichen Sinn für Gleichgewicht und Balance – die entgegengesetztesten Strömungen der Tradition einzubringen vermochte. Nicht nur das; er leistete noch mehr: der genialste seiner Vorgänger, der einzige, der eine wahrhaft überlegene Synthese vor ihm aufgeführt hatte, Origenes, war zugleich der einflussreichste und der gefährlichste Theologe gewesen und bis ins 6. Jahrhundert geblieben, überall, in der Theologie (der Kappadozier etwa) wie besonders in der Spiritualität, der Aszese und Mystik (am radikalsten bei Evagrius Pontikus und seiner immensen Einflusssphäre) war sein zugleich befruchtender und verheerender Einfluss bemerkbar: er hatte den Ehrgeiz gehabt, altgriechisches und gnostisches Denken durch kühne Assimilation zu überwinden, hatte mit einem katholischen Herzen und einem zum Teil heidnisch gebliebenen Gehirn ein System erdacht, in welchem die Verschiedenheit der Weltdinge durch freien Abfall der seit Ewigkeit geschaffenen Intelligenzen von Gott entstanden waren, Christus als der einzig dem Logos treu anhängende Mensch, auf die verschiedenen Entfremdungsstufen der Welt absteigend, alles, auch die Dämonen, wieder in das Urlicht zurückführte – woraus Evagrius und das ihm folgende Mönchtum eine intellektualistische Aszese der Entweltlichung (in manchem nicht fern der buddhistischen) gefolgert und erfolgreich durchgeführt hatten. Origenes und sein mönchischer Anhang waren unter Justinian verurteilt worden; seine Bücher wurden verbrannt (wohl der größte Verlust in der Kirchengeschichte), aber können bloße Verurteilungen denn eine große geistliche Potenz innerlich überwinden?
Maximus tat, was kein anderer gekonnt und zu tun gewagt hätte: er arbeitete den Origenismus bis auf seine ersten Voraussetzungen auf, schied die Spreu vom Weizen, legte mit höchster Klarheit das Grundübel auf – die Abfallstheorie, die mit dem christlichen Schöpfungsgedanken unvereinbar war – und übernahm in seine theologische und spirituelle Synthese alles Verwendbare, vor allem die großartige Lehre vom Logos, dem Sohn des Vaters, als Urbild der Schöpfung, als innerster Grund für die Vernünftigkeit und Freiheit endlicher Geister, als Versammler durch seine Menschwerdung aller verstreuten Kinder Gottes und Vollzieher aller großen Synthesen: zwischen Leib und Geist, zwischen Mann und Frau, zwischen Himmel und Erde, Gott und Welt… Aber er assimilierte auch die gefährlich intellektuelle Mystik des Evagrius, indem er in seinen «Zenturien über die Caritas» an die Stelle einer theoretischen und wesentlich individualistischen Spiritualität eine solche der christlichen Liebe setzte und damit dem geistlichen Streben aller Christen, insbesondere auch der Mönche aufs neue eine evangelische Grundlage gab. Gewiss hatte er hier auch seine Vorgänger, einen (Pseudo-)Makarius und Diadochus von Photike, ihre Einsichten baute er nicht bloß äußerlich in seine Synthese ein, sondern eignete sie sich zuerst offensichtlich existentiell an, um seine eigene Erfahrung christlichen Lebens zum Nährboden seiner in den Schriften aufgesprossten geistlichen Lehre zu machen. Betrachtet man seine kritische und zugleich aufbauende Leistung in der innern Überwindung des Origenismus, so muss man an das Wort des Evangeliums denken: «Wenn der Starke bewaffnet seinen Hof bewacht, dann ist sein Besitz im Frieden; wenn aber ein Stärkerer über ihn kommt und ihn überwindet, so nimmt er ihm seine Rüstung, auf die er sich verlassen hatte, und verteilt seine Beute» (Lk 11,21-22). Maximus hat die Beute des Origenes großzügig verteilt, alles Brauchbare hat er mit konzentrierter Aufmerksamkeit übernommen (vgl. seine «Gnostischen Zenturien») und damit seine eigene Christologie und christliche Spiritualität tief bereichert.
Aber noch ist damit die Hauptleistung nicht genannt: das Aufräumen des fast hoffnungslosen Trümmerfeldes, als das sich seit dem Konzil von Chalkedon die zentrale christologische Spekulation darbot. Chalkedon hatte, entscheidend durch den gedanklichen Beistand des hl. Papstes Leo, einen gewaltigen Fortschritt in der Formulierung des Christusmysteriums gebracht: zwei Naturen ungetrennt und unvermischt in einer Person. Aber die Formulierung war gleichsam dem Verständnis vorausgeeilt. Das zeigte sich, als es galt, die innern Implikationen der Worte klar herauszustellen. Die Parteien – Alexandriner (Cyrillianer) und Antiochener – waren in der Tiefe unversöhnt, und der Auszug der Monophysiten (Ultra-Cyrillianer) aus der rechtgläubigen Kirche anlässlich Chalkedons war nur ein extremes Zeichen für den im Innern schwelenden Unfrieden. Man konnte die Konzilsformel bejahen und sie nach beiden vorchalkedonischen Extremen hin interpretieren. Man versuchte kleine Schritte der Verständigung, aber es gab im 6. Jahrhundert (außer bei den heterodoxen Monophysiten) keinen Theologen von Rang im chalkedonischen Lager. Dies war umso verhängnisvoller, als die kaiserliche Politik alles, auch theologisches Flickwerk, daran setzte, um die durch das Schisma auseinanderbrechende Christenheit zu versöhnen: man erfand Einigungsformeln, die, vom Hof und den Hofbischöfen ausgehend und scheinbar von cyrillianischem Geist gedeckt, unter der Hand der Häresie entgegenkommen wollten und faktisch die volle Wahrheit der Menschwerdung Christi preisgaben: zwei Naturen, aber eine einzige «Energie», ein einziger «Wille»…
Hier konnte nur ein überlegener Geist, wenn auch gegen alle Tendenzen politischer Macht, Ordnung schaffen. Maximus hatte beides: das geistige Rüstzeug, um das seit Jahrhunderten verworrene Begriffsknäuel zu lösen und zu ordnen, und den persönlichen Mut, sich gegen eine Übermacht zu exponieren und – wie seinerzeit Athanasius während der arianischen Wirren – als beinah Einziger die Orthodoxie durchzutragen, was ihm nicht nur wie Athanasius Verbannung, sondern den Martertod einbrachte.
Seine Klärung der Christologie bringt beides gleichzeitig zum Tragen: die Vollständigkeit der Menschheit Christi, mit ihrer eigenen Energie und ihrem eigenen Willen, und die (cyrillianische) Einheit der göttlichen Person, die die Trägerin dieser Natur ist; keinesfalls ist die «Person» (hypostasis) Christi erst das Produkt des Zusammentretens von zwei Naturen. Keinesfalls auch ist Christi Wille wie der unsere durch die ungeordneten Leidenschaften umgetrieben (gnōmē) und muss sich erst durch eine zögernde Entscheidung zwischen Gut und Böse für den Willen des Vaters entscheiden; sein menschlicher Wille ist je schon in Freiheit entschlossen, den Willen Gottes zu tun, der den drei göttlichen Personen gemeinsam ist. Maximus geht in der Richtung der christologischen Begriffe mit größter gedanklicher Klarheit und zugleich mit ehrfürchtiger Behutsamkeit vor, denn er ist sich immerfort bewusst, an das göttliche Mysterium zu stoßen, für dessen Undurchdringlichkeit ihm ein anderer großer Vorläufer, der Unbekannte, der sich Dionysius Areopagita genannt hat, das Gespür verliehen hatte. Seine Erklärung der heiligen Messe («Mystagogie») zeigt deutlich, wie stark seine Frömmigkeit von Dionysius geprägt ist, wiesehr ihn dieser im letzten bestimmt, von einem direkten Streben nach Gotterfahrung (Evagrius) abzulassen und den Zugang zum göttlichen Mysterium in einem Überstieg der kreatürlichen Möglichkeiten aufgrund göttlicher Gnade (ekstasis) zu sehen. Wenn Dionysius, der im westlichen Mittelalter einen ungeheuren Einfluss gewann, auch im Osten fortwirkte und den Einfluss der intellektualistischen Mystik zurückdrängte, so ist dies großenteils Maximus zu verdanken.
Der christologische Kampf – dessen äußerer Höhepunkt die 645 in Karthago gehaltene Disputation mit dem Expatriarchen Pyrrhus I. von Konstantinopel war – brachte vor dem für Maximus tragischen Abschluss noch ein wichtiges Ereignis: die Begegnung zwischen Maximus und Papst Martin I. auf der von diesem in Rom einberufenen Synode 649, die sich gegen den kaiserlichen Monotheletismus aussprach und damit den Zorn Kaiser Konstans’ II. auf sich zog. Maximus ist nicht nur Theologe und Mystiker, sondern ein Mann der Kirche, der den Nachfolger Petri als das Haupt der katholischen Kirche ansah und in entscheidender Stunde sich für jedermann sichtbar an seine Seite stellte. Die beiden mutigen Männer mussten für ihre Kühnheit büßen: der Papst durch Einkerkerung und Verbannung (sein Nachfolger wurde schon zu seinen Lebzeiten gewählt), Maximus darüber hinaus durch Verstümmelung. Lange Verhöre im Kerker, deren Stenogramme uns erhalten sind, konnten ihn von seiner Meinung nicht abbringen: Theologie war für ihn eins mit Glaubensbekenntnis.
Die geistige Leistung des «Bekenners», wie er mit Recht zubenannt wird, ist der eindeutige Höhepunkt der östlichen Theologie und ist später niemals wiedererreicht oder überboten worden. Das bekannte Schulbuch, in dem Johannes Damaszenus die Hauptereignisse der patristischen Theologie zusammenfassen wird, wäre ohne Maximus niemals zustande gekommen, besitzt aber bei weitem nicht das innere Format des vielschichtigen Werkes des letzteren. In der Tat ist die Synthese des «Bekenners» ebenso kraftvoll wie nach allen Seiten hin offen. Manche sind der Meinung: zu offen für alle, woher immer einströmenden Anregungen. Die Flüsse, die in seinen großen See münden, kommen wirklich aus den entgegengesetztesten Richtungen. Aristotelisches Denken vereinigt sich mit neuplatonischen Einflüssen (durch Dionysius vermittelt), Spekulation mit Mystik, Allegorismus mit schlichter Vater-Unser-Auslegung, persönliches Beten mit liturgischem, alle Richtungen und Schulen der Spiritualität haben nebeneinander Platz in diesem großen, katholischen Herzen. Und keine Epoche patristischer Theologie hat nicht ihr Prägmal hinterlassen: hinter Chalkedon sind Cyrill und Nicäa da, aber auch die Antiochener, aber auch die Kappadozier, die er besonders liebt und eigens kommentiert, aber auch Origenes, aber auch und sehr deutlich der Früheste der großen Theologen, Irenäus, dem er vielleicht in seinem Grundentwurf am nächsten steht: der Logos wird Fleisch, um all seine menschlichen Abbilder in sein Urbild zu «rekapitulieren» (wie Irenäus und Maximus mit dem hl. Paulus sagen) und die ganze Schöpfung zum Vater heimzubringen.
Die Katholizität Maximus’ ist eine offene, sie zwängt die Vielheit der Perspektiven nicht in ein menschlich ausgeklügeltes Schema. Aber sie bringt doch alles mit allem in Beziehung. Er ist kein Kompilator, sondern einer, der Überblick hat und mehr als andere von seinem Einheitspunkt aus übersehen kann. Und gerade darin ist er der zum Kirchenlehrer Vorausbestimmte.
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