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Vom immerwährenden Gebet

ハンス・ウルス・ フォン・バルタザール
原語タイトル
Vom immerwährenden Gebet
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書籍説明
言語:
ドイツ語
原語:
ドイツ語出版社:
Saint John Publications年:
2025種類:
論文
Die Einladung zum immerwährenden Gebet ist im Neuen Testament eine nachdrückliche, in verschiedenen Wendungen immer wiederholte. Paulus lädt die Gemeinde ein, «ohne Unterlaß» (a-dialeiptōs) zu beten (1 Thess 5,17), «in ständigem Gebet und Flehen» zu leben, «allezeit (en panti kairōi) im Geiste zu beten, und dafür wachsam zu sein in aller Ausdauer und Fürbitte für alle Heiligen und auch für mich» (Eph 6,18f.). Mehrfach verwendet er ein Wort, das «ausdauernd, standhaft bei etwas sich aufhalten, bleiben bei» bedeutet: «Seid ausdauernd (pros-kartereite) im Gebet» (Kol 4,2), «haltet aus im Gebet» (proskarterountes) (Röm 12,12). Paulus selbst betet «Tag und Nacht aufs allerdrängendste» (hyper-ek-perissou) für die Seinen, um die Vollendung dessen, was an ihrem Glauben noch fehlt (1 Thess 3,10), er «betet immerfort (pantote) für sie» (2 Thess 1,11), damit ihre Willigkeit im Guten sich vollende (vgl. ferner Röm 1,10; 1 Kor 1,4; Eph 5,20; Phil 1,4; 1 Thess 1,3; 2,13; Phlm 4 usf.). Er ist darin nur der Widerhall Jesu, der das Gleichnis vom Flehen der Witwe vor dem ungerechten Richter erzählt, «um ihnen klarzumachen, daß man immerfort (pantote) beten und nicht müde werden soll» (Lk 18,1). Während wir Jesus bei Lukas bei den großen Gelegenheiten seines Lebens im Gebet sehen (Taufe, Jüngererwählung, Verklärung, Ölberg, Kreuz), zeigt ihn uns Johannes in einem immerwährenden Gebetsgespräch mit dem Vater: «Immerdar» blickt er auf den Vater, um zu tun, was dieser tut und ihm in Liebe zeigt (5,19f.), «immerdar» tut er, was dem Vater wohlgefällt (8,29), er weiß, daß der Vater ihn «immerdar» erhört (11,42), was voraussetzt, daß auch ein immerwährendes Gebetswort vom Sohn zum Vater hin tönt. Sogar das Kreuz wird dieses Gespräch nicht unterbrechen (vgl. 16,32). Die Tradition konnte an diesem Beispiel und diesen Einladungen nicht vorbeigehen, sie hat sie von Anfang an aufgegriffen und immer neu zu erklären versucht. Und jede Zeit muß sich die Weisung neu sagen lassen und ihre Befolgung neu bedenken.
1. Die Welt vom Wort umlebt und geprägt
Das Wort Jesu «Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen» (Mt 24,35) zeigt auf sein Bewußtsein, schlechthin alles der Zeit und Vergänglichkeit Unterworfene zu «umleben» (wie Guardini sagt). Dies besagt nicht nur, daß die Welt darin eingehüllt ist wie in einer bergenden Hülle, sondern daß sie davon durchdrungen, von innen her getragen wird wie von ihrem Prinzip. Wenn anderseits der Ausspruch sich zuerst auf die gesprochenen Worte Jesu zu beziehen scheint und sicherlich auch wirklich bezieht, sind diese seine Worte doch so sehr Ausdruck seines Wesens, seiner Tat und Gesinnung, so sehr inkarnierte Rede, daß dieses Prinzip er selbst in seiner unauflöslichen Ganzheit ist. Beide Aspekte führen uns zur johanneischen Christologie: einerseits ist die Welt als ganze geschaffen im Wort, das «im Anfang» war, und andererseits ist dieses Wort-Prinzip das fleischgewordene, in seiner Weltexistenz, im Leben, Sterben, Auferstehen Jesu der Weltnatur und Geschichte zutiefst immanente.
Die Lehre des Johannesprologs ist nicht vom Himmel gefallen; sie ist die Blüte einer im vorbiblischen Ahnen verschlossenen, im Alttestamentlichen sich öffnenden Knospe. Für die alten Völker von Ägypten und dem vorderen bis zum fernsten Orient ist die erscheinende Welt zugleich Erscheinung eines ihr immanenten Sinnes oder Klanges oder Wortes, das mit ihr zusammen aus den unerforschlichen Urgründen emporklingt. Diese Wendungen sind in der letzten Wurzel sinngleich, wie die indogermanische Wurzel bhā zeigt, die sich sowohl als lichtendes Aufgehen, Erscheinen (griechisch «phaō», Epiphanie, phaos = Licht, Sanskrit bha-tis: Glanz), wie als Aussage (lateinisch fateor: an den Tag legen, fas: der göttliche Ausspruch, fatum: das vom Göttlichen her dem Menschen «Zugesprochene») sich auslegt. Für Heraklit tönt durch den Kriegslärm der Dinge hindurch der Rhythmus des ewigen Logos, ähnlich für Laotse, und für Pythagoreer wird diese Sinnordnung in der Harmonie der Sphären hörbar: immer haben Dichter das Lied, das in allen Dingen schläft (Eichendorff), zu erhorchen versucht, und Hans Kayser hat (nach A. v. Thimus’ «Harmonikale Symbolik des Altertums» 1868-1876) sein Lebenswerk dem Erhorchen («Akroasis, die Lehre von der Harmonik der Welt» 1947) dieses «Liedes» gewidmet. Was wollen die Dinge «sagen»? Kann man hinter die artikulierten, «kategorialen» Sprachen zurücklauschen in ihren transzendentalen Grund, die Ursprache der Welt? Gewiß nicht durch bloße formalisierende Abstraktionen, wie es heutige Sprachlogik, von der Wahrheit der Dinge sich entfernend, versucht, sondern – wie Märchen es in ihrer Naivität umschreiben, durch ein neues Gehör, das die Sprache nicht nur der Vögel, der Tiere, sondern auch der Pflanzen und Steine, des Lichtes und der Nacht erhorcht.
Die Schwelle vom Vorbiblischen zum Biblischen wird im wundersamen Psalm 19 überschritten, der damit beginnt, die assyrisch-babylonische Vorstellung einer in den Sternen aufgezeichneten lautlosen, dem Weisen entzifferbaren Himmelsschrift in die Offenbarung einzubergen.
Die Himmel erzählen die Herrlichkeit Gottes,
das Firmament kündet von seiner Hände Werk.
Der Tag eröffnet die Kunde dem (folgenden) Tag,
die Nacht übermittelt die Kenntnis der (folgenden) Nacht.
Nicht als Schilderung, nicht als Sprache,
nicht als vernehmbare Stimme,
dennoch tönen ihre Zeilen in der ganzen Welt,
ihre Botschaft bis an die Grenzen der Erde.
Die darauffolgende Epiphanie der Sonne läßt an Ägyptisches denken, aber plötzlich, übergangslos, steht an Stelle der Sonne der Glanz der Torah Jahwes, «rein», «durchsichtig», «wahr», «die Augen erleuchtend». Hier hat sich die geheime Ursprache (von der ja noch Herder schwärmte) klar verständlich gemacht, und so wie die Torah sich hier darstellt, läßt sich nicht sagen, ob sie artikulierte (kategoriale) oder transzendentale Sprache der Welt ist. Torahspekulation der Juden haben sie auch immer mehr dem grundlegenden Weltprinzip angenähert; sie fällt dann mit der «Weisheit» zusammen, der am Anfang des Waltens Gottes geschaffenen (Spr 8,22), «in» der er die Erde und den Himmel gegründet hat (Spr 3,19). Licht-Klang-Sprache: schon stehen wir damit an der Schwelle des Johannesprologs, denn der «Logos», das Licht der Menschen (1,4) ist auch der, der uns den niegesehenen Gott in der Weise einer Sprache «ausgelegt» hat (1,18).
Aber das johanneische «Wort» wird uns, deutlicher als das alttestamentliche, zweiseitig geschildert. Freilich, schon die Weisheit ist Gottes «Entzücken Tag für Tag, spielend vor ihm allezeit», und sie selber hat wiederum ihr «Entzücken an den Menschen», ja sie ist zugleich die «Beisitzerin» (paredros) auf dem Throne Gottes und sein Wort, durch das er die Welt geschaffen hat (Weish 9,4.1). Aber nunmehr ist das Wort «im Busen des Vaters» (eigentlich: «zu seinem Busen hin gewendet» Joh 1,18), es ist «im Ursprung zu Gott hin» (1,2). Nicht als erstes schon von Gott ausgehend als Prinzip seines Schaffens, sondern Sprache, Ausdruck in der Hin- und Rückwendung zum Vater, Licht, Klang und Wort zuerst hier, in einem ewigen Gespräch, das Johannes immer tiefer als das Urgespräch der Liebe offenbaren wird. Nicht abgezweckt auf die Welt, sondern in der gegenseitigen Kenntnis zwischen Gott und seinem Wort selbstgenügsam, und dann, in dieser freien, bleibenden Selbstgenügsamkeit, Prinzip der Welt. Als Licht-Klang-Gespräch schon Offenbarung, aber so frei, daß es sich selbst nochmals offenbaren muß, um verstanden zu werden. Nichts spricht hiervon exakter als der «johanneische Aerolith» bei den beiden großen Synoptikern: «Niemand erkennt den Sohn als der Vater, und niemand erkennt den Vater als der Sohn – und der, dem der Sohn es offenbaren will» (Mt 11,29; vgl. Lk 10,22).
So wird die Hieroglyphe der Welt, die alle Weltweisheit zu entziffern sucht, im Neuen Testament zugleich lichtvoller, tiefer offenbarend – und verschlossener, weil zur Enträtselung an der Freiheit des Sohnes hängend. Wir verwenden zum letztenmal das verfängliche Begriffspaar, um es dann als irreführend endgültig fallenzulassen, und sagen: indem das Wort Fleisch wird, wird die transzendentale Sprache kategorial vereindeutigt, damit dem Geraune der Runen entzogen und scheinbar beschränkt, aber weil das Wort Fleisch wird und gerade so (leidend, sterbend) von der Liebe des Vaters kündet, ist in diesem «Kategorialen» – in der Kategorie der gesamten menschlichen Existenz – der transzendente Sinn des göttlichen Urgesprächs offenbar, so, daß nie mehr von dieser Sprache der Existenz wird abstrahiert werden können. Aber so frei wie die Fleischwerdung des Wortes Gottes erfolgte, so frei bleibt der Sohn, das Gespräch zwischen ihm und dem Vater kundzutun, wem er will: «Ich preise dich, Vater, Herr Himmels und der Erde, daß du dieses den Weisen und Klugen» – den Sterndeutern und Tiefenpsychologen und Technikern der Mystik – «verborgen, Unmündigen aber geoffenbart hast». Wir werden später sehen, weshalb. Und indem er frei Zugang gewährt, schenkt er auch Freiheit des Zugangs: den Glauben, der von Gott nie erzwungen wird, der nur frei Gott geschenkt werden kann, und der gerade in dieser freien Hingabe des Menschen an das freie Wort den Sinn seiner Fleischwerdung vollendet: den Menschen in das Licht-Klang-Wort der Ursprache – Gottes Liebe – einzuweihen: das Wort will Ant-Wort, die Sprache will Entsprechen, damit der Dialog im Himmel nunmehr auch ein Dialog zwischen Himmel und Erde werde.
Obschon der Begriff Dialog hier in eine Klammer gesetzt werden muß. Denn das Wort, das die Welt umlebt, ist zwar aus dem Schoß Gottes und zu diesem Schoß wieder hin, aber darin ist «das Wort selbst Gott» (Joh 1,1). Die Begegnung Gottes mit Gott aber ist jenseits des Gesprächs zweier Wesen. Man wird also sagen müssen, daß, solange der sich den Menschen frei offenbarende Gott schlechthin als das andere Wesen begegnet, das «Wort im Anfang» ihnen noch nicht endgültig zugesprochen ist.
2. Gott der Andere und der Eine
Vom Augenblick an, da die Runenkunde der Welt der freien Offenbarung Gottes an den Menschen weicht, da Gott Abraham herausruft, Mose im Dornbusch seinen Namen und Auftrag kundtut, das Volk vom Sinai herab erwählt und ihm Weisung erteilt, ist er zuerst der überwältigend Andere. Der Gedanke und Begriff des «Bundes» entspricht dem: er setzt zwei einander begegnende Freiheiten voraus, auch wenn die eine davon initiativ und souverän vorgeht und dabei die andere von sich her der Freiheit der Partnerschaft würdigt. Diese Erfahrung der Freiheit und des Redens Gottes ist dem Menschen notwendig, da ohne sie jede lebendige Kenntnis des umgreifenden Logos erlischt. Sie verdämmert entweder in Spekulation über den «Sinn», der immer undeutbarer entgleitet (Plotins «Eines» jenseits der Vernunft ist unerkennbar, nur noch Gegenstand umkreisender Sehnsucht), oder in eine Form der Magie – als Gnosis oder Astrologie oder als eine Ethik, die sich dem Weltgesetz einzuschwingen vermag –, wodurch der Mensch sich des umgreifenden Weltgesetzes bemächtigt, es enträtselt, es lebt und deshalb unvermerkt in sein eigenes Gesetz und Wesen verwandelt. Er projiziert sich in den Kosmos, er wird zum Maß aller Dinge. In der epochalen Wende vom lauschenden zum machenden Menschen, vom homo contemplans zum homo faber verstummt notwendig das die Welt umlebende Wort. Der Mensch manipuliert einen gestaltbaren Weltstoff. Natur spricht vom Göttlichen, Kultur und Technik sprechen dem Menschen nur noch vom Menschen. Krankheit, Ungerechtigkeit, Tod regt ihn an, nachzudenken, wie er den Unfug abstellen könnte. Er wird Herr der Dinge, die – als «Evolution» – sein Unterbau sind, dem er sich nicht zu «verdanken» braucht, da er darüber steht und die Vorstufen als Steinbruch seines weltverändernden, «humanisierenden» Wirkens verwenden kann. «Geh unter, schöne Sonne, sie achteten / Nur wenig dein, sie kannten dich, Heilge, nicht»: Hölderlins Götter sind unwiederbringlich. Nichts begegnet mehr als der Mensch sich selbst, die «Geräuschkulisse» des immerfort plärrenden Funks – beim Kochen, beim Lesen, sogar beim Sprechen – hat die Sphärenmusik am Boden zerstört: statt Klang Geräusch, statt Hindurchhorchen Kulisse. Wo ein «rumor of Angels» hörbar werden könnte, greift die Macht nach den «okkulten Kräften», um sie der Politik dienstbar zu machen1.
Und doch ist diese Freisetzung des Menschen, der zur Eroberung des Umgreifenden auszieht, weltgeschichtlich dort entstanden, wo Gott sich als der freie Andere offenbarte, und so dem Menschen auf seine Freiheit hin ansprach: im Raum der Bibel. Und um sich als dieser Freie zu zeigen, jeden Verdacht einer Selbstprojektion des Menschen auf die Wand des Kosmos aufzuheben, hat er die Menschen – die Einzelnen wie das Volk – drastisch dorthin geführt, «wohin du nicht willst» (Joh 21,18). Und so kam es, daß seine Freiheit als das Tyrannische, sein Gesetz als die Entfremdung, sein Bund als die lästige Bindung empfunden wurde, und Paulus recht behielt: «Einst lebte ich ohne Gesetz, sobald aber das Gebot kam, lebte die Sünde auf: ich starb, und es zeigte sich, daß das Gebot, das zum Leben führen sollte, zum Tod gereichte» (Röm 7,9f.). Das Stadium, in dem Gott als der freie Andere auf tritt, kann nur eine Durchgangsphase sein, die, absolut gesetzt, zu Mißverständnissen und Fehlentwicklungen führen muß: das Gesetz «par-eisēlthen», ist «nebenher eingedrungen» (Röm 5,20), das «para» deutet an sich auf ein Abkommen vom Weg.
Nur der Radikalismus, wie ihn Paulus im Galaterbrief anwendet, kann – nach vorn! – aus dieser epochalen Tragödie herausführen, die am Sinai beginnt und in deren fünftem Akt die moderne technische Kultur lebt oder vielmehr stirbt. Der Gott, der sich als der freie Andere dem Volk offenbart hat, war früher, alles folgende grundlegend, Abraham als der Verheißende erschienen. Überschwenglich – wie die Sterne des Himmels und der Sand am Meer, der Segen für alle Völker – ist für die Glaubenshingabe der Ausblick auf Gott. Und doch zerfließt diese Verheißung nicht ins Quantitative: sie ist «Abraham und seinem Samen zugesagt worden; es heißt: nicht den Samen, als ob es sich um eine Mehrzahl handelte, sondern im Hinblick auf den einzigen: und ‹deinem Samen›, das ist Christus» (Gal 3,16). Mose, zeigt Paulus weiter, war ein Mittler zwischen zweien: dem Einen, Israel, und dem Andern, Gott. Das war aber nur «Pädagogik» (Gal 3,21), Einübung in die Freiheit Gottes, die etwas ganz anderes wollte, als unser Anderer sein. Wie ist das nur möglich, ohne daß wir entweder in Pantheismus oder in Atheismus fallen? Man kann dem Gedanken Pauli nur mit Zittern folgen, so verletztlich, mißverständlich ist er. Die Verheißung Gottes heißt Christus, oder «Gott mit uns», «Gott aber ist nur ‹Einer›» (Gal 3,20). Denn «Gott ist alles, das Ganze» (Sir 43,27). Deshalb wird der «ewige und endgültige Bund» die Aufhebung aller Andersheit in die Einheit Christi, der Gottes Wort und Gott ist, sein: «Da gibt es nicht mehr Juden und Griechen, Sklaven und Freie, Mann und Weib; denn ihr alle seid einer in Christus Jesus» (Gal 3,28). Also sind wir einbezogen in die absolute, umgreifende Freiheit Gottes, der in ewiger Liebe sein Kind, sein Wort im Busen hegt: es in sich entläßt und das zu ihm Rückgewendete wieder umfängt. Dieses Kind, das fleischgewordene Wort, ist der vollendete Bund, die Begegnung von Gott und Mensch personal, der das fremde Gegenüber in eine kategorial gar nicht mehr ausdrückbare innergöttliche Intimität einbringt. «So bist du denn nicht mehr Knecht, sondern Sohn, wenn aber Sohn, dann auch Erbe – durch Gott» (Gal 4,7).
Zwei Dinge geschehen also gleichzeitig: «als die Fülle der Zeit kam», da die ungeheure Verheißung des Anfangs sich verwirklichen sollte, «entsandte Gott seinen Sohn», das die Welt umlebende Wort, «geboren aus einer Frau, dem Gesetz unterstellt» (Gal 4,4); er sandte ihn in die Kondition des menschlichen Stehens unter dem Willen des freien Gottes, konkreter noch: in die Kondition des sich von Gott abwendenden, von ihm entfremdeten Menschen; nichts an dieser Kondition soll dem Sohn fremd bleiben, alles daran soll er mit seinem Wortsein durchtränken, alles in gehorsam-liebende Antwort verwandeln: Wort als Antwort und Antwort als Wort. Und somit das zweite: was fremd und anders ist zwischen Gott und Mensch, das soll er umgestalten in ein «Wort bei Gott», die Härte des Alltags und den Widerspruch der Menschen und das Scheitern und den Tod: alles in Sprache Gottes verwandeln, die das Licht und das Leben der Menschen ist. Das stellt uns vor das fürchtenswerte Paradox, daß der Mensch (jetzt Kind, nicht mehr Knecht) desto freier ist, je mehr er aus der absoluten, das heißt der göttlichen Freiheit lebt. Daß Gott der gegenüberstehende Andere zu sein schien, war nur ein vorübergehender Schein, der jetzt zur Wahrheit überwunden ist: eschatologisch ist «Gott Alles in allem» (1 Kor 15,28), und diese Endzeit ist mit dem Tod und der Auferstehung des Sohnes angebrochen. Deshalb ist die Kirche nicht der «Partner» Gottes oder Jesu, sondern seine Fülle und sein Leib; seine «Braut» aber insofern, als «die beiden ein Fleisch» (Eph 5,31f.) oder «ein Geist» (1 Kor 6,17) sind.
Der eine Geist ist ja der als «Wir» zwischen Gott dem Vater und seinem Wort waltende; indem dieser Geist durch das bis in den Tod ausgesprochene und ausgegossene Gotteswort uns geschenkt wird, ist die alttestamentlich zweiseitige Partnerschaft überholt: der Geist, den der Sohn uns zu «trinken» gibt, strömt eben dadurch aus uns selber als Quelle hervor (Joh 4,14; 7,38). Das Gesetz ist (über-)erfüllt, das Geforderte wird uns «vorweg» (Eph 2,10) geschenkt, damit wir es aus dem Geschenk heraus erfüllen. Unser Wirken wird dadurch nicht überflüssig, vielmehr ist es der Beweis, daß das Überfließende der göttlichen Gnade wirklich an ihr Ziel gelangt ist. Deshalb ist gottgemäßes christliches Leben und Handeln ein «Beschleunigen» des Endes, der Parusie.
Da das Wort Fleisch geworden ist, ist dies alles nicht eitle dialektische Spekulation. Es geht im Leben Jesu vielmehr darum, in der Schlichtheit und im Kampf des menschlichen Alltags die göttliche Haltung des Wortes vom Vater her zum Vater hin darzuleben: was Jesus in den Seligpreisungen (Lk 6,21f.) proklamiert, das lebt er zuerst selbst: die Durchsichtigkeit des Nur-Wort-des-Vaters-Sein (in Armut, Hunger, Trauer, Gewaltlosigkeit, Beraubung), der reinen Durchgabe (Joh 7,16; 14,10.24) in der reinen Hin-kehr zum Vater. Die göttliche Durchsichtigkeit «ist Fleisch geworden»: nie ist menschlich klarer, schlichter, eindringlicher und zu Herzen gehender gesprochen worden. Das Lied, das in allen Dingen schläft, wird erweckt in der Rede aus den Dingen der Natur und des Menschenlebens (des Bauern- und Hirtenlebens, des Wissens um Korn und Blume und Rebberg, Backen und Kaufen, Unkraut und Diebstahl, Geldverdienen, Prozessieren, Strafe und Lohn usf.), und all dies wird Ausdruck der inneren Gesinnung und des Lebens Gottes. Das Klarste bleibt unerschöpfbar geheimnisvoll, nicht weil die Hieroglyphen der Welt bloße «Chiffren» sind, sondern weil das Geheimnis der Tiefe bis an die Oberfläche des menschlichen Alltags heraufgetaucht ist. Aber in dieser Selbstauslegung gehen die Tiefe und das Geheimnis nicht verloren, deshalb erfordert das Hören und Sehen den Glauben, die Öffnung des Herzens zu Gott, durch Gott. Es ist nicht so, daß man vom Erkannten selber weiterschließen kann auf das sich darin Anzeigende, denn man muß ja das Erkannte – das Wachsen der Saat, den Sauerteig im Mehl usf. – selbst schon als die Sprache des Geheimnisses auffassen.
Dies wird vollends klar, wo Jesu Tat zum «Wunder» wird, noch klarer, wo menschliches stellvertretendes Leiden und Sterben zur Sprache der darin siegenden Liebe Gottes wird. Nirgends kann hier vorausgesetzt werden, daß man «das Wesentliche» schon verstanden hat. Es ist die verborgene, unbekannte Sprache der absoluten Liebe, die hier durch alles menschliche Scheitern hindurch sich kundtut. Nichts ist so anders für Gott, daß er darin nicht der Eine zu sein vermöchte.
3. Hörenkönnen
«Gott ist Geist» (Joh 4,24), alles in ihm ist bewußtes Leben, man kann Gottes Leben nicht nur «substanzhaft», als rein objektiven «Gnadenzustand» in sich haben. Man muß in sich das Sensorium für Gottes Gesinnung ausbilden, den lebendigen Glauben, den Jesus allen abverlangt, an denen er sein Heil wirken will. «Wer Ohren zum Hören erhalten hat, der höre!» Hören in seinem ersten, grundlegenden Studium: als Horchen, Lauschen. Man kann dieses als eine aktive Bereitschaft beschreiben, das, was von sich her ertönen wird, aufzunehmen, und zwar so, daß man nachvollzieht und versteht, was es «sagen will». Man muß noch einen Schritt weitergehen. Ich muß, um wirklich zu lauschen, mich allem gegenüber offenhalten, was das Ertönende von mir verlangen könnte, damit ich es wirklich so höre, wie es ertönt.
Ist das Ankommende Gottes Wort, so muß die Bereitschaft der Aufnahme ihm gegenüber grundsätzlich grenzenlos sein. Gott, und Gott allein, hat das Recht, vom Menschen alles verlangen zu dürfen, weil sein Wort Heil ist und nur fordert, um besser zu schenken. Und der Mensch muß, um Gottes Heil zu empfangen, grundsätzlich auf alles verzichten, aus sich alles ausräumen, was in ihm dem Leben Gottes den Raum versperrt. Die «Armen im Geiste» sind jene, die sich ausgeräumt und entrümpelt, entblößt haben, um für das ankommende Wort gastlich bereit zu sein. Jesus stellt als Beispiel dafür das Kind in die Mitte der Jünger. Das Kind ist offen für alles, was auf es zukommt, es hat noch keine vorgefaßten Begriffe, keine Grundsätze, Prinzipien, es «pflegt nicht zu sagen», kennt keine Besserwisserei, ist auf nichts festgelegt. Seine natürliche Armut an alldem gibt ihm den Reichtum seiner Bereitschaft, alles hinzunehmen, wie es sich gibt. «Rede, Herr, dein Diener hört», sagt der Knabe Samuel.
Hier wird auf einmal deutlich, wie sehr alles, was in der geforderten Bereitschaft nach Technik riecht und schmeckt, der Kindschaftsgnade des Evangeliums entgegengesetzt ist. Wer Techniken anwendet und übt, um zur «Sammlung», «Konzentration», «Abschaltung», «Ichfindung», zur Erweiterung des eigenen Innenraumes – ob durch «transzendentale Meditation», Yoga, Zen oder was immer für Übungen – hinzugelangen, ist nicht arm im Geiste. Er ist vielmehr voll des Könnens und Vermögens, er gehört zu den «Reichen», die nicht durch das Nadelöhr kommen, zu den «Weisen und Klugen», denen es der Vater verborgen hat. Er ist letztlich ein Pharisäer, der auf seine Werke vertraut, anstatt sich Gott glaubend anzuvertrauen, denn Technik ist Leistung, auch wenn sie darauf zielt, die innere Armut «hinzukriegen». Weil der nach östlicher Weltsicht Meditierende nichts vor sich hat, was sich aktiv von sich selber her mitteilt, muß er sich seine Passivität durch eigene Anstrengung erringen. Im christlichen Betrachter dagegen hat das Sich-Offenbarende schon vorweg eine Wahrheit erwirkt, die keine fremde, sondern seine eigenste ist, und die er nur anzuerkennen braucht. Daß Maria die Magd des Herrn ist, an der er nach seinem Wohlgefallen handeln kann, ist Ausdruck ihrer «Armut», «Niedrigkeit», ihrer Demut (das heißt Dien-Mut) und nicht einer erreichten geistigen Höhe; sie weiß ja: die Potenten stürzt er vom Throne.
Diese Haltung ist keineswegs eigens für die Gebetszeit aufgespart, sie ist die durchgehende Haltung des Christen. Auf Besserwisserei verzichtet er in gleicher Weise Gott wie seinem Nächsten gegenüber. Wie vom Wort Gottes, so läßt er sich vom Wort des Nächsten etwas sagen, wenn nötig provozieren, er kann Dinge, die andern unmöglich scheinen, «zulassen». «Laß es zu», sagt Jesus dem Täufer, da dieser davor zurückschreckt, ihn zu taufen. Die Danksagung und Eucharistie, in der er Gott gegenüber lebt, dehnt er auf den Alltag aus: «Man flucht uns, und wir segnen» (1 Kor 4,12). Ignatius der Märtyrer sekundiert: «Auch für andere betet ohne Unterlaß, denn es besteht Hoffnung auf ihre Umkehr … Ihren Lästerungen setzt Gebete entgegen» (Eph 10,1). Die aktive Bereitschaft Gott gegenüber fordert nach allen geistlichen Lehrern «Leidenschaftslosigkeit» (Antike), «Gelassenheit» (Mittelalter), «Indifferenz» (Renaissance, aber schon Augustin), Loslösung von den ungeordneten Neigungen, die ein negatives Apriori für unsere Antwort an Gott schaffen könnten: die Haltung geht unverändert durch Gebet und Alltag hindurch. Zwischen horchendem Gebet und Lauschen in den Alltag hinein besteht eine dauernde Osmose, so daß das Horchen im einen Gebiet das Horchen im andern ermöglicht, fördert, und dies wesentlich gegenseitig.
Wer zu Gott hin horchen lernt, der lernt gleichzeitig auf die Dinge, die ihm alltäglich in ständigem Wandel begegnen, hinhören. Sie können nicht anders als von Gott reden. Wir kehren auf geläuterter Stufe zur Fähigkeit der Alten zurück, die Sphärenmusik zu hören, im Tao-Gleichgewicht zu schwingen, «in allen Dingen Gott zu finden». Ob Natur oder Kultur, ob offene oder verschlossene, zugekehrte oder abgewendete Menschen uns gegenübertreten, ist nunmehr im tiefsten gleichgültig. Das Wort Jesu «Was immer ihr dem geringsten meiner Brüder tut, habt ihr mir getan» dürfen wir ohne Bedenken so erweitern, daß es lautet: «Was immer ihr von irgendeinem Menschen, in einer Lebenslage empfangt, das empfangt ihr von mir.» Und wären es die Ohrfeigen und Geißelschläge, die er selber als Willen des Vaters empfangen hat. Seit dem Kreuz ist Gott im Licht wie im Dunkel der Welt transparent, falls wir beides nur mit einem ungepanzerten Herzen zu empfangen wissen. Hat man im betenden Realisieren des Glaubens erkannt und erfahren, daß alles Gnade ist, dann sollte aus dem Vokabular des Christen das Wort «müssen» verschwinden und durch das Wort «dürfen» ersetzt werden. Wir dürfen Gottes Weisungen folgen, dürfen sonntags oder täglich an seiner eucharistischen Liturgie teilnehmen, dürfen unsern Brüdern, die seine Glieder sind, dienen. Der Leser merkt, daß wir längst, ohne es zu betonen, in die Sphäre des immerwährenden Gebetes eingetreten sind.
«Betet allezeit»
Sind wir wie alle Dinge «in» dem Wort geschaffen, deshalb auch «für» das Wort, «in dem alles seinen Bestand hat», ist anderseits dieses Wort Fleisch, Natur, Mitmensch geworden, so verwirklichen wir uns nur selbst, wenn wir, dieses Wesenswort in unserem innersten Grund erweckend, im Wort zu Gott und zur Welt ant-worten. Da aber das Wort selbst, wie wir sahen, von Gott nicht fremdzwecklich auf die Schöpfung hin erzeugt wurde, sondern von jeher im Busen des Vaters ruht und mit ihm im gemeinsamen Geist ein Gespräch ist, so kann der Ort der Schöpfung und unserer selbst nur innerhalb dieses Gespräches liegen: für ihn sind wir «vor Grundlegung der Welt» ausersehen, um seinetwillen geschaffen, «in seinem Blute» erlöst und mit dem göttlichen «Wir» des Geistes begabt; wir brauchen uns nicht von außen her an diesen Ort hinzuarbeiten, wir sind mit der ganzen Welt immer schon dort. Und indem wir die Gnade des Im-Wort- und damit In-Gott-Seins realisieren, haben wir die «Parrhesia», den unmittelbaren, freien, kindlichen Zugang zum Vater (das genaue Gegenteil von Kafkas «Schloß»), wir brauchen uns nur in einem Nu zu erinnern, wo wir eigentlich sind, um mit einem Schritt Gott zu begegnen, der mit uns im Gespräch, ja in dessen Gespräch wir sind. «Denn er ist nicht fern von einem jeden von uns: in ihm leben wir, regen wir uns und sind wir» (Apg 17,27).
Beachten wir dieses «Wir». Einsam und vereinzelt sind wir nur als Sünder. Als Begnadete, mit Gott Redende sind wir immer gemeinsam. Noch ein wesentlicher Unterschied zu aller östlichen Gebetstechnik. Immer heißt es «Unser Vater», «mein» nur, sofern wir alle «einer» sind im Sohn. «Unser» sagt das Gebet in doppelter Beziehung: der Vater ist «im Himmel», und der Himmel ist nicht nur er in seiner Gemeinschaft mit dem Sohn und dem Geist, sondern: «Ihr seid hinzugetreten zur Stadt des lebendigen Gottes, zum himmlischen Jerusalem und zu den Myriaden von Engeln, zu einer Festversammlung und zur Gemeinde des Erstgeborenen, die im Himmel aufgezeichnet sind und zu den Geistern der vollendeten Gerechten …» (Hebr 12,22f.). Man betrachte die «curia coelestis» in der Apokalypse, um zu realisieren, wo wir hintreten, wenn wir «Unser Vater» sagen. Wir finden die Welt in Gott, sowohl die vorerwählte, wie die in Verwirklichung begriffene, wie die schon vollendete. Deshalb können wir auch von der Erde her nicht isoliert zu ihm hintreten, wir sind ein Teil dieser sich verwirklichenden «Festversammlung», nehmen deshalb konstitutiv alle mit, die mit uns unterwegs sind. Dieses Verbundensein mit allen in Gott besagt keine Anonymität des Einzelnen im Gewimmel, denn wir sind «alle» nur als «Einer», das höchst personale Wort, das jedem teilgibt an seiner Einmaligkeit. Deshalb werden wir angewiesen, nicht im Gewimmel, sondern im «Kämmerlein» zu beten, im Herzen nämlich, wo wir dieser Eine sind und sein dürfen, den Gott gemeint und geliebt hat. Wie Jesus vor dem Vater und unter den Menschen der Einsame war, so ist jeder Mensch einsam, nicht nur in Geburt und Tod und Gericht, sondern sein Leben lang unter den Menschen, um je mit seinem Unvergleichlichen als seinem Geschenk zu Gott und zu den Menschen hinzutreten. Vor dieser Einsamkeit darf er nicht ins Soziale fliehen (wie viele es heute tun, die nicht mehr personal beten können, und meinen, im Haufen gehe es leichter). Aber das «Kämmerlein» des Herzens ist in Jesus immer schon aufgestoßen, er ist in Ewigkeit der Mann mit dem zerstochenen, ausgelaufenen Herzen. Wenn die Einsamkeit des Herzens schon körperlich dazu da ist, um das Blut durch den ganzen Kreislauf und die Gemeinschaft der Glieder zu pumpen, so ist Christi Herz so enteignet, daß es sein Blut – «vergossen für euch und die Vielen» – nur als das Weggegebene durch den Organismus der Kirche fluten läßt. Und seine Kirche, die sein Leib und seine Braut ist, könnte diesem Empfang gar nicht entsprechen, wenn nicht auch ihr Herz schon immer «zur Offenbarung der Gedanken aller Herzen» durchbohrt worden wäre, siebenfach (Lk 2,35). Christus und Kirche als «einer» sind in diesem gemeinsamen Strömen das Sakrament der Welt, das deren Siechtum durch das Mysterium des täglichen Sterbens und Auferstehens sowohl sterben wie zu Gott aufleben lehrt.
Allzeit beten heißt also nur realisieren, was ist: in der Wendung zu Gott wie zur Welt. Natürlich bedarf es dazu der Anstrengung, sich ausdrücklich, täglich, bewußt, selbstlos (nicht zur eigenen Seelenhygiene) und ehrfürchtig Gott zuzuwenden, die Worte und Taten Jesu zu erinnern und zu bedenken, in Lobpreis, Dank und Bitte. Ohne solches artikuliertes Gebet kämen wir nie zum «allzeit beten». Wir müssen uns Zeit dafür nehmen, in der wir vor das Urwort und Urbild treten, damit es selber Zeit habe, sich uns persönlich einzuprägen. So tief, daß wir uns dann im Getriebe der Welt seiner erinnern und es überall aufklingen und aufleuchten sehen. Geschieht dies in Liebe, so ist die Gefahr nicht groß, daß wir völlig vergessen. Die Liebe Christi hält sich wie ein Orgelpunkt durch über den flirrenden Sechzehnteln (wie das F und dann das C in Bachs Toccata in F); Orgelpunkt der Anamnese, daß es in allem die Eucharistie gibt, den erinnernden «Lobpreis der Herrlichkeit seiner Gnade» (Eph 1,6).
Und dies, nochmals, nicht als Technik und Fingergeläufigkeit. Lieber im Bekenntnis Pauli: «Wir wissen ja nicht, wie wir beten sollen, so wie sichs gehört» (Röm 8,26). Zuweilen kann uns das Können geschenkt werden, dann auf lange Strecken fühlen wir unsern Dilettantismus und unser Versagen. Wir finden nicht hin, wir möchten wie Thomas die Wunden berühren, und waren nicht dabei. «Da tritt der Geist selbst für uns ein mit unaussprechlichen Seufzern.» Wären wir von unserer Technik der Sammlung, der Versenkung überzeugt, so geschähe das nicht. Aber weil alles fragmentarisch klafft, kann aus der tieferen Tiefe unseres Herzens das göttliche Gebet durch die Lücken empordringen, der «Weihrauch des Gebetes», der bis zu Gott dringt. «Der aber die Herzen erforscht», Gott der Vater, «kennt das Trachten des Geistes, daß er nämlich nach Gottes Willen für die Heiligen eintritt» (Röm 8,27). Gott tritt bei Gott für uns ein. Ist also das immerwährende Gebet schließlich doch nur ein Gespräch Gottes mit Gott allein? Nicht doch. Das Herz des Sohnes und das seiner Kirche sind durchbohrt. Nicht lückenhaft, sondern ganz. Das heißt, daß das menschgewordene und das menschliche Herz ganz entspricht. Es gibt in der Welt das vollkommene Jawort, «stellvertretend für das ganze Menschengeschlecht», für alle seine weltlich-allzuweltlichen Situationen, ein innerweltliches Jawort, in dem Gottes ganzes Ja-Wort zur Welt endgültig Fleisch und «Amen» geworden ist (2 Kor 1,20). Innerhalb dieses vollkommenen und unaufhörlichen Gebetes ist unser stückhaftes eingeborgen.
Lassen wir Origenes das Schlußwort: «Ohne Unterlaß betet, wer mit seinen Alltagswerken das Beten verbindet, und mit dem Gebet die diesem entsprechenden Taten, da auch die rechten Taten, die Ausführung der Gebote mit zum Bereich des Gebetes gehören. Denn nur dann kann die Weisung ‹betet allezeit› als ausführbar gelten, wenn wir das ganze Leben des Glaubenden als ein einziges, großes und zusammenhängendes Gebet auffassen. Ein Teil dieses großen Gebetes ist auch das, was man für gewöhnlich Gebet nennt» (De Or 12,2).
- Sheila Ostrander/Lynn Schroeder: Psi. Die wissenschaftliche Erforschung und praktische Nutzung übersinnlicher Kräfte des Geistes und der Seele im Ostblock. Bern/Stuttgart 101974.↩
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