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Gotteserfahrung biblisch und patristisch
Viele Menschen fragen heute aus einer echten Not: kann man Gott überhaupt erfahren? Denn wenn ich ihm nirgends in meinem Dasein lebendig begegne, wie soll ich an ihn glauben? Antworten wir ihnen nicht gleich mit Hinweisen auf die unendliche Vieldeutigkeit des Begriffs Erfahrung überhaupt, der religiösen Erfahrung insbesondere, sondern bedenken wir, daß der Zerfall lebendiger christlicher Tradition in Familie, Gemeinde, Volk die Vereinsamung der Christen in einer glaubenslosen Gesellschaft mit einer praktisch atheistischen technischen Zivilisation jenen Notschrei über alle Einwände hinweg glaubwürdig und tief bedenkenswert macht.
Wir können und wollen in den folgenden Überlegungen keine abgerundete Antwort darauf bieten, nur einen Ansatzpunkt geben, von dem her weitere konkretere Schritte auf eine hilfreiche Antwort zu getan werden können. Wir bleiben im Bereich der Quellen: der Bibel vor allem, von der aus wir ein paar Linien in die Patristik ausziehen. Einleiten wollen wir das Ganze mit einer Besinnung auf das allgemeine Verhältnis von Gott und Mensch, wie es sich für einen christlich Glaubenden darstellt.
1. Gott und Mensch
Gott ist kein Seiendes neben anderen, wie sie innerweltlich begegnen und menschlichen Sinnen und geistigen Einsichten erfahrbar werden, in einer Er-fahrung1, die sich im Laufe eines Lebens anreichert. Deshalb steht von vornherein zu erwarten, daß man Gott nicht wie ein weltliches Ding, auch einen Mitmenschen erfahren kann. Gott ist wesenhaft unser Ursprung, aus dem wir herausgesetzt sind, und zwar nicht durch ein natürliches Wachstum, wie ein Ast aus dem Stamm hervorsprießt, sondern in einer souveränen Freiheit, die uns in unsere geschöpfliche Selbständigkeit und Freiheit entläßt. Freilich nicht, um uns auszusetzen, sondern damit wir uns in freier Suche zu unserem Ursprung hin aufmachen, ob wir «ihn etwa erspüren und finden könnten, ist er doch nicht fern von einem jeden von uns» (Apg 17,27). Dieses «erspüren» ist, wenn wir Gott und Mensch nur im Gegenüber von Schöpfer und Geschöpf sehen, dem Tasten eines Blinden vergleichbar, der jenseits des mit endlichen Gegenständen vollgestellten Raumes im Unendlichen herumtastet, ob seine geistige Hand auf etwas stoße. Nichtchristliche Religionen sind ein solches Sich-Hinaustasten ins Nicht-mehr-Endliche, wobei immer der Zweifel verbleibt, ob das er-fahrene «Nicht» nur die eigene Transzendenz sei oder die eigene geschöpfliche Nichtigkeit oder wirklich etwas von der Unendlichkeit Gottes. Nichtchristliche Mystik grenzt damit immer nah an Verzicht auf das eigene, von Gott geschenkte Personsein (das als Schranke empfunden wird), oder dann an Atheismus, sofern das Göttliche durch Personsein scheinbar beschränkt würde. Dieselbe nichtchristliche Mystik kann aber auch in ihr Gegenteil umschlagen: Um Gott zu erfahren, fährt der Mensch in seinen eigenen Urgrund ein und nimmt ihn als seine wahre Tiefe in Besitz: in solcher Versenkung wird dann Gott zur Funktion des sich selbst ins Absolute befreienden Menschen. Solche «Versuche» und «Versuchungen» werden dort schwerlich ausbleiben, wo der Mensch ein Sünder ist, der seine wesentlichsten Antriebe, die religiösen, zur Sünde mißbraucht und pervertiert (Röm 1,18-21).
2. Der begegnende Gott der Bibel
Im Raum der biblischen Offenbarung erfolgt eine Gegenbewegung zu der des suchend-transzendierenden Menschen: Gott will dem Menschen von sich her begegnen. Es ist sehr bedeutsam, daß Gott sich nirgends mit einer Antwort auf einen Anruf eines Menschen, auf dessen Wunsch nach Gotteserfahrung offenbart. Er tritt auf Abraham zu mit einer völlig unerwarteten Verheißung, auf Mose mit einem ebenso unverhofften, unerwünschten und hartnäckig (bis zum Erzürnen Gottes) ausgeschlagenen Auftrag, auf Jesaja, der ob der Schau seiner Herrlichkeit ausruft: «Wehe mir, ich bin verloren!» (Jes 6,5), ebenfalls mit einer leidigen, Ungemach bringenden Sendung. Was alttestamentlich begann, setzt sich fort, wo Gott neutestamentlich in Jesus Christus begegnet: Menschen werden von ihm herausgerufen, um mit Aufträgen und entsprechenden Vollmachten von ihm weg in alle Welt ausgesendet zu werden. Die Begegnungserfahrung (das werden wir später noch sehen), die sie zweifellos machen, ist Ausgangspunkt und Funktion ihrer Sendung.
Und nun kommt alles darauf an, ob ihr Herz restlos offen und bereit ist, den Auftrag zu erfüllen. Das offenbart sich in schwierigen Situationen, in denen sich ihr Glaube, ihre Treue, ihr Gehorsam an Gott bewähren muß. Und die Bibel Alten und Neuen Bundes führt diese Situationen mit Vorliebe auf einen ausdrücklichen Willen Gottes zurück: nicht der Mensch soll Gott erfahren, sondern Gott will erfahren, will durch Erprobung erfahrungshaft feststellen (peirazesthai), ob der beauftragte Mensch auf dem von Gott gewiesenen Weg wandelt. Während nirgends in der Bibel von einer Gotteserfahrung (peira) des Menschen die Rede ist, geht das Thema der Menschenerfahrung Gottes durch Erprobung (peirasmos) durch die ganze Heilsgeschichte hindurch: «Bedenkt, wie er mit Abraham verfuhr (da er die Opferung Isaaks verlangte), wie er Isaak prüfte und wie es Jakob erging … Wie er jene zur Erprobung ihres Herzens prüfte, so hat er auch uns nicht gestraft, vielmehr züchtigt der Herr jene, die ihm nahen», sagt Judit zum Volk (Jdt 8,26f.). Auch die Sendung Jesu muß durch diese Erprobung hindurch, um im Feuer erhärtet zu werden; wäre er der Versuchung zu einem irdischen Messianismus erlegen, so hätte er die Situation umgekehrt und, statt sich erproben zu lassen, Gott erprobt, was die Sünde des israelitischen Volkes in der Wüste gewesen war, «am Tage von Massa, als eure Väter mich erprobten und versuchten» (Ps 95,9). Deshalb das abweisende Wort Jesu an den Versucher: «Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht erproben» (peirazein Mt 4,7 = Dt 6,16)2.
Das Aushalten der Erprobung Gottes führt zur Bewährung des Menschen, deshalb will sich Paulus «der Drangsale rühmen, da wir wissen, daß die Drangsal Geduld bewirkt, die Geduld Bewährung (dokimē: Luther übersetzt: Erfahrung), die Bewährung Hoffnung, die Hoffnung aber wird nicht zuschanden…» (Röm 5,3-5). Diese Hoffnung ist wie das von Gottes Freude über die gelungene Erprobung auf den Menschen zurückgeworfene Licht, so daß Jakobus geradezu sagen kann: «Erachtet es als lauter Freude, meine Brüder, wenn ihr in mannigfache Erprobungen (peirasmois) geratet, wissend, daß das Prüfungsmittel (dokimion) eures Glaubens Geduld bewirkt, diese aber das vollkommene Werk erwirkt, damit ihr in nichts versagt» (Jak 1,2f.). Wenn dann endlich das Wort Erfahrung (peira) bei den Apostolischen Vätern auftaucht, so nicht um des Menschen, sondern Gottes Erfahrung zu bezeichnen: «Wir müssen die peira des lebendigen Gottes bestehen und werden in diesem Leben geschult, um im künftigen gekrönt zu werden» (2 Clem 2,20). Aber von dem Rückstrahl der Freude Gottes über die Bewährung des Menschen auf dessen eigene «Freude» (wie Jakobus sie befahl) läßt sich, wie indirekt, nun auch von einer menschlichen Erfahrung sprechen: «Gotteserfahrung kommt gerade durch die Bedrängnisse zustande; diese Bedrängnisse verhindern die christliche Erfahrung und ihr ‹rühmendes› Aussagen keineswegs, sondern ermöglichen sie.»3
Doch diese biblische «Erfahrung im Rückstrahl» hat ein unverkennbares Merkmal: sie ist die Frucht eines Verzichtes, der durch eine Anfechtung hindurch sich bewährt hat. Man nehme das geradezu archetypische Beispiel: das von Abraham geforderte Opfer seines Sohnes und die darin erwiesene Bewährtheit, Echtheit und Ganzheit seines Glaubens. Damit wird ihm – entsprechend der angeführten Stelle im Römerbrief – eine ganz neue Qualität von Hoffnung auf Gottes Verheißung geschenkt, wird gleichsam die Bundeswirklichkeit, die aus gegenseitiger Treue zwischen Gott und ihm besteht, erfahrungshaft bestärkt. Der Verzicht liegt hier nicht mehr, wie bei den eigenen Versuchen des Menschen, Gott zu erfahren, in einem solchen auf die Umwelt, um das Absolute (in Ekstase oder Versenkung) zu fassen, oder auf das eigene Personsein oder auf dasjenige Gottes (wie etwa im Buddhismus), er liegt vielmehr im Glauben selbst, der anstelle des selbst-entworfenen Lebensprogramms einen Auftrag Gottes, eine göttliche Wegweisung in Geboten und Räten übernimmt und diese Weisungen durch alle Anfechtungen von außen und innen hindurchträgt. Mit Gewißheit kann gesagt werden, daß es keine christliche Gotteserfahrung gibt, die nicht Frucht einer Überwindung des Eigenwillens oder zumindest des Entschlusses zu einer solchen Überwindung wäre. Und zu diesem Eigenwillen muß man auch alle eigenmächtigen Versuche des Menschen zählen, religiöse Erfahrungen aufgrund eigener Initiativen und durch eigene Methoden und Techniken hervorzurufen.
Gerade dies wird uns im Alten Bund durch den alles durchdringenden hartnäckigen Kampf der Jahwereligion gegen die «Götzen»-religionen aufs eindringlichste vorgeführt. Israel lebt im heiligen Land mit den Kanaanitern und ihren Kulten aufs engste zusammen; später, zur Zeit der Könige, werden durch deren politische Eheschließungen fremde Kulte durch die angeheirateten Prinzessinnen eingeführt. Ezechiel schildert uns drastisch die Gegenwart der heidnischen Kulte nicht nur in den Heiligtümern auf den Hügeln des Landes – Kulte, die fast stets mit Unzucht verbunden waren –, sondern in der Umgebung des Jerusalemer Tempels und in diesem selbst: Manasse hatte eine Astarte-Statue aufrichten lassen, man beweihräuchert Reliefs mythologischer «Schlangen und widerwärtiger Tiere», Frauen hocken am Boden und halten Totenklage für den Gott Tammuz, der jährlich starb und wieder auferstand, andere werfen sich nach Osten vor der Sonne nieder, um sie anzubeten (Ez 8). Was hier zusammengedrängt erscheint, findet sich über die ganze Königsgeschichte, angefangen mit Salomo, verstreut, in der Elijageschichte tauchen 450 Baalspropheten auf (1 Kön 18,19), wir hören von Hierodulen, männlichen und weiblichen, die sich zugunsten der Tempelgottheit prostituieren (Hos 4,8f., 14 usf.), von Kindesopfern an Moloch (2 Kön 16,3 usf.) und andern ähnlichen Anpassungen an die Umweltkultur. Ohne jeden Zweifel kam die Sucht nach religiöser Erfahrung in all diesen Formen des Götzendienstes, der Jahwe «als Gestank in die Nase steigt», viel besser auf ihre Rechnung als in dem bildlosen Kult des Gottes Israels. Das Bilderverbot meinte ja nicht primär den leblosen Stein, als den wir ein ägyptisches oder mesopotamisches Götterbild empfinden, vielmehr eine magische Versinnlichung des Göttlichen, das in seiner Darstellung gegenwärtig war. Zu diesem Prozeß der Versinnlichung des Göttlichen gehören ganz unmittelbar die sexuellen Begehungen, mit denen eine himmlisch-tellurische Fruchtbarkeit teils versinnbildet, teils angeregt werden sollte. Die vielen Bildreden bei den Propheten, die das heilige Volk – sowohl das Nord-wie das Südreich – als eine Hure bezeichnen, die ihrem angetrauten Gemahl hundertfach die Treue bricht und sich jedem hergelaufenen Gott anbietet, erheben sehr reale Vorkommnisse zum Symbol. Für diese Art der «religiösen Erfahrung» war das Volk von jeher anfällig, wie die große Episode aus dem Wüstenzug in Peor zeigt (Num 25).
Es ist höchst bezeichnend, daß der wahre Gott, an die Sexualkulte anknüpfend, sie aus der Sphäre sinnlicher Erfahrung heraushebt und daraus ein konkretes Bild für das vollkommene Treueverhältnis zwischen ihm und dem Volk macht (Hosea, Jeremia, Ezechiel); dieses muß lernen, was es in sinnlichen Ekstasen an Religiösem zu erfahren meinte, in eine ganz andere «bild»- und «erfahrungslose», aber nicht minder existentiell anfordernde Sphäre zu erheben, in der «die Erkenntnis Gottes», wie Hosea sie meint, sich ereignet, in der reinen Hingabe und selbstlosen Treue. Hier behält das alttestamentliche Bilderverbot seine Aktualität bis heute: Wenn nämlich Bild das meint, was es damals eindeutig aussagte: erfahrbare Präsenz des Göttlichen, so, daß dieses kraft des Erfahrungsmoments heimlich oder offen in die Machtsphäre des Menschen gerät, dann bleibt jeder Bilderkult auch uns untersagt. Das gilt sogar von dem, der mit Nachdruck als «das Bild des unsichtbaren Gottes» (2 Kor 4,4) bezeichnet wird, von Jesus Christus, der immer von sich weg auf den Vater verweist und nur als der Gestorbene und zum Vater Heimgekehrte der Welt anwest. Ein bestimmter Ikonenkult ist oft an der gefährlichen Grenze, jenseits derer unbiblische, verbotene Erfahrung beginnt. Das Bild, das Jesus Christus von Gott darbietet, kann und darf nicht dazu mißbraucht werden, uns sinnliche Erfahrungen von Gott zu vermitteln (auch die Brautmystik des Mittelalters hat hier öfter die Grenze überschritten), es ist vielmehr dazu da, uns in sein Bild umzuwandeln, wie Paulus mehrfach nahelegt (Röm 8,29; 1 Kor 15,49; 2 Kor 3,18) und uns so abermals die rechte «Kenntnis Gottes» zu vermitteln (Hosea).
Man könnte in dieser Linie ein weiteres alttestamentliches Thema anreihen. Die große Prophetie ist offenbar aus ursprünglich eher zwielichtigen Phänomenen herausgewachsen, die das frühe Prophetentum Israels mit demjenigen anderer Völker verband: einerseits künstlich durch Musik und Tanz erzeugte Ekstasen, anderseits ein Berufsprophetentum, das zum Bestand eines Hofes oder auch eines Tempels gehörte. Solches Prophetentum ist für ein Volk nochmals eine Form, sich des Gottes und seines konkreten Willens erfahrungshaft zu versichern. Aber was in Israel daraus herauswächst, ist etwas ganz anderes: ein Prophetentum aufgrund göttlicher Berufung, das jedem Zugriff des Menschen entzogen im Griff des lebendigen Gottes steht und dem Menschen jeweils gerade das verkündigt, was er nicht hören mag. Das will keineswegs heißen, daß alle Propheten nur Unheil prophezeien, wohl aber, daß, wenn sie Heil, Shalom, sagen, dieser Friede immer im Sinn Gottes und unter den von Gott gesetzten Bedingungen verheißen wird, deshalb selten anders denn als das Nachspiel und die Kehrseite eines Gerichts.
3. Erfahrung der Gottferne
Aber es gibt im Alten Testament noch ein Motiv, das in diesen Umkreis gehört und das einen bedeutenden Nachhall bei den Kirchenvätern haben wird. Es ist dem Alten Bund in besonderer Weise zugestaltet, weil hier zunächst noch keine Öffnung auf das Jenseits besteht, der für Treue verheißene Lohn, für die Untreue angedrohte Strafe sich deshalb im Diesseits verwirklichen. So kann die zusammenfassende (deuteronomistische) Geschichtsschreibung das Schicksal des Volkes nach diesem sehr einfachen Schema beschreiben: Glaubenstreue – Wohlergehen, Abfall zu fremden Göttern – sinnenfällige Strafe, Schreien zu Gott in der Not, innere Bekehrung und erneute sichtbare Zuwendung Gottes. Hier «erfährt» der Gerechte unmittelbar seine Gerechtigkeit daran, daß es ihm wesentlich wohlergeht; die für den Fall der Abkehr von Gott vorgesehenen Schrecknisse werden in langen Listen drastisch verzeichnet (Lev 26,14ff.; Dt 28,15ff.). Jeder weiß, daß dieses zu einfache Schema, das auch dasjenige der Freunde Jobs ist, an der Problematik ihres leidenden Freundes zerschellt. Und erst recht der Tod Jesu mit dem Schrei der Gottverlassenheit macht es unwiederbringlich.
Dennoch geht durch die Theologie der Väter beharrlich ein Motiv, das das alttestamentliche Motiv, auf subtile Weise korrigiert, neu aufgreift. Es war wohl die Parabel vom verlorenen Sohn, die diese Korrektur veranlaßt hat.
Irenäus entwickelt den Gedanken als erster breit und malt ihn mit Liebe aus. Gott hat den Menschen frei geschaffen; in seiner Unwissenheit und Unerfahrenheit mußte dieser fallen. Er mußte die Erfahrung (peira) seiner Endlichkeit und Bedürftigkeit machen, mußte den Zustand der Gottferne – der Hungersnot im fernen Land – am eigenen Leib erfahren. Kehrt er dann reuig zum Vaterhaus zurück, so weiß er erst, was er an dessen Gütern hat. «Je härter erkämpft, desto wertvoller erscheint uns etwas, und je wertvoller, desto geliebter»4. Irenäus geht es um die vollkommene Freiheit des Menschen und um die ebenso vollkommene Gewaltlosigkeit Gottes, dem es eigen ist, die geschaffene Freiheit nie zu etwas zu zwingen, sondern nur leise «überredend» oder «ratend» auf sie einzusprechen. Deshalb läßt er die schlimme Erfahrung, die der Mensch in der Gottferne macht, nicht sosehr als Wirkung einer göttlichen Strafe denn als innere Konsequenz der Selbstabwendung des Menschen erscheinen.
Nicht viel anders wird Origenes vorgehen. Bei ihm ist es vor allem Gottes Vorsehung, die die Irrwege des freien Menschen begleitet und den rechten Augenblick kennt, wann er zu Gott zurückzuführen ist: vielleicht muß dieser Augenblick verschoben werden, damit er besser geheilt wird, so wie ein Arzt eine Operation verschiebt, bis der Abszeß reif ist. «Wer seine eigene Schwachheit und Krankheit und die göttliche Gnade nicht wahrgenommen hat und auch, wenn er geheilt ist, keine Selbsterfahrung durchmacht (heauton pepeiramenos) und (deshalb) sich selbst nicht erkennt, der wird wähnen, das ihm von der himmlischen Gnade Geschenkte sei seine eigene Leistung»5. Den Menschen muß, wie bei Irenäus, das Böse verleidet, damit sie im Guten gesichert werden und «durch den Umgang mit dem Bösen und die Durchdringung mit der Sünde, nach der sie verlangen, übersättigt, den Schaden merken und (das wiedererlangte Heil) mit desto größerer Sicherheit gewinnen»6.
Auch bei Basilius taucht der origenische Gedanke auf, Adam sei «gleichsam aus Übersättigung (am Guten) übermütig geworden», Gott aber habe seinen Tod zugelassen, «damit die Krankheit nicht unsterblich werde»7. Für Gregor von Nyssa endlich muß die Erfahrung des Bösen in der Menschheit bis zu ihrer äußersten Grenze fortschreiten, aber weil das Böse nicht unendlich sein kann, an dieser Grenze haltmachen und dem Prozeß der Rückkehr zu Gott Platz machen8.
Der Gedanke ist einseitig und nicht ungefährlich. In seinen Hintergründen steht nicht die Bibel, sondern der Platonismus, der mit einem ursprünglichen Herabfall der Seelen in die Körper aus «Überdruß» am Göttlichen rechnet. Die Erfahrung der Gottferne wird auch hier, wie in der Parabel vom verlorenen Sohn, Voraussetzung für die Hochschätzung des wiedergewonnenen Heils, aber dieser Prozeß kann ewig von neuem beginnen. Plotin sagt ausdrücklich: «Nur die Erfahrung des Übels bewirkt eine genauere Kenntnis des Guten bei Wesen, deren Kraft nicht hinreicht, um das Wesen des Übels, ohne es durchgemacht zu haben, exakt zu kennen»9.
Maximus Confessor, der am Ende der Patristik die maßgebliche Synthese baut, verzichtet ausdrücklich auf den platonisch-origenischen Gedanken einer Art Notwendigkeit erfahrungsmäßiger Kenntnis des Bösen, um im Guten standhaft zu bleiben10. Die Vorarbeit leistete Gregor von Nyssa, der die Unmöglichkeit nachwies, in der Schau des unendlichen Gottes je einen Überdruß zu verspüren: jede «Sättigung» an einer göttlichen Wahrheit und Schönheit eröffnet neue noch unausgelotete Tiefen, im ewigen Leben sind Ruhe und Bewegung eins. Und schließlich setzt sich die Erkenntnis durch, daß «Erfahrung des Bösen», jene ewige Verlockung des Menschen seit der Einflüsterung der Paradiesschlange, überhaupt nichts Positives einbringt, wie das Augustinus in schmerzlicher Erfahrung feststellen wird, während Thomas von Aquin von Gott sagt, er kenne das Böse nur als die Grenze des Guten, so wie er alle Grenzen des Geschöpfes kennt11.
Das Gleichnis vom verlorenen Sohn ist also nicht die Vorzeichnung eines christlichen Weges, vielmehr nur der Aufweis der Liebe Gottes für den Verirrten, und nebenbei die doppelte Warnung: den Weg in die Gottferne einzuschlagen und (für den älteren Bruder) die Gnade der Gottnähe zu verkennen.
4. Unterpfand des Geistes
Wir sagten, daß die Bibel kein Wort für religiöse Erfahrung besitzt, weil sie nicht an den religiösen Anlagen des Menschen interessiert ist, sondern an seiner Fügsamkeit der göttlichen Selbstkundgabe und dem ergangenen Auftrag gegenüber. Wer diesen in Glaubenstreue und Beharrlichkeit ausführt, ist ein «Bewährter», und auf ihn fällt wie im Rückstrahl etwas von Gottes Freude an der Verwirklichung seines Heilswillens auf Erden wie im Himmel. Aber dies ist kein dem Menschen äußerliches Geschehen: im lebendigen Glauben, der Hoffnung und Liebe in sich schließt, ist ihm ein Keim göttlichen Lebens eingesenkt, der sich aufgrund praktisch gelebter Glaubenstreue im Menschen entwickelt und ihm auf geheimnisvolle Weise die Sicherheit zuspricht, auf dem rechten Weg zum Vater, ja dessen geliebtes Kind zu sein. Der in uns liegende Heilige «Geist bezeugt es unserem Geiste, daß wir Kinder Gottes sind» (Röm 8,16; vgl. Gal 4,6; 1 Joh 5,10). Aber der Text fährt fort: «Nur müssen wir mit ihm (Christus) leiden, um mit ihm auch verherrlicht zu werden». Was man in etwa Geisterfahrung nennen kann12, ist keinen Augenblick trennbar vom beharrlichen Gehen des Christusweges. Sie ist eine innere Sicherheit, die nur im Ausschreiten auf dem Weg gegeben wird; wollte einer stillstehen und auf dieses Licht reflektieren, um sich seiner zu versichern, so würde es entweder erlöschen oder sich in ein Irrlicht verwandeln. So auch das johanneische Wort Jesu: «Wenn ihr in meinem Wort bleibt, dann werdet ihr wahrhaft meine Jünger sein und ihr werdet die Wahrheit (innerlich, wesentlich) erkennen, und die Wahrheit wird euch freimachen» (Joh 8,31).
Aber genau in dieser Perspektive erscheint eine Schwierigkeit: Tätiger Glaube ist Nachfolge Jesu; Jesus aber geht seinem Auftrag gemäß den Weg vom Himmel immer tiefer in die Welt der Sünder hinein: er übernimmt schließlich am Kreuz stellvertretend ihre Erfahrung der Gottferne, ja der Gottverlassenheit. Also gerade des Verlustes jener lichten Sicherheit, die dem «bewährten» Glaubenden zugesichert wird. Dieses Paradox muß ausgetragen werden, und christlich gesehen ist das Nebeneinander der Zeitmomente, der Stunden, Tage, Jahre, nicht zuletzt dazu da, die Abfolge dieser scheinbar unvereinbaren christlichen Lebenserfahrungen zu ermöglichen. Paulus hat dieses Paradox erlebt und formuliert; er weiß zweierlei: daß Gott ihn selbst inmitten all seiner Bedrängnis (die bis zum «Lebensüberdruß» gehen kann) «tröstet», und daß seine, Pauli, «Christus-Leiden» zum Trost und zur innern Stärkung der Kirche gereichen (2 Kor 1,4-7). Man ahnt, wie viele verschiedene Schattierungen hier möglich sind: es kann einer stärkste äußere Bedrängnis erfahren und dabei im innersten «getröstet sein», das heißt wissen, daß er mitten im Willen Gottes wandelt: viele Märtyrer wußten das. Es kann aber einer ebenso im Innersten verfinstert sein – er wird dann eingesenkt in die «Erprobung» durch Gott, von der anfangs die Rede war – und dabei ein Licht für andere ausstrahlen, von dem er selber nichts mehr spürt oder weiß. So gewiß viele Schwerkranke, die in ihrem aussichtslosen Leiden keinen Sinn mehr zu sehen vermögen, wie ja der für alle Gekreuzigte in seiner Gottverlassenheit auch keinen Sinn mehr sah.
Gott ist es, der die «theologischen Zustände» des Glaubenden verfügt: der ihn einmal eintaucht in die tiefen Wasser des Kreuzes, wo keine Trosterfahrung mehr gemacht werden darf, und einmal in die von der Auferstehung her geschenkte Gnade einer Hoffnung, von der man weiß, daß sie nicht trügt. Niemand kann und darf diese «theologischen Zustände» in ein für den Menschen manipulierbares, überhaupt überblickbares System bringen wollen. Alle ihre Aspekte, gerade auch wenn sie einander zu widersprechen scheinen, sind christologisch, deshalb dem Verfügen Gottes anheimgestellt.
Man kann höchstens sagen, daß für den sich bewährenden Christen die Zustände sich für gewöhnlich miteinander vertiefen: es wird größere Sicherheiten geben, je mehr die «Gaben des Heiligen Geistes» sich durch Praxis lebendigen Glaubens im Leben des Einzelnen entfalten13, aber man kann diese Entfaltung nicht geradlinig – etwa auf eine normal erwerbbare mystische Erfahrung zu – erfolgen lassen, denn Gott ist jederzeit frei, zugunsten seiner Heilsordnung dem Einzelnen (gerade dem voll Hingegebenen!) Gnadenerfahrungen zu entziehen, um sie andern Gliedern des mystischen Leibes Christi zuzuhalten.
So kann es in diesem Gebiet nur diskrete Verhaltensregeln für die möglichen «theologischen Zustände» im Seelenleben des Christen geben, wie sie herauswachsen aus der jahrhundertelangen Erfahrung der Kirche; Regeln, die jede Gottes Freiheit antastende Systematisierung vermeiden, sich aber doch mit einer gewissen Sicherheit innerhalb des Feldes bewegen, auf dem Nachfolge Christi im Heiligen Geist sich ereignen kann.
5. Verirrungen und Einpendelungen
Die genannten «Regeln» für die innern Erfahrungen haben sich nur mühevoll in einer wechselreichen Geschichte herausgebildet. Immer wieder erlagen Gruppen eifriger Christen der Versuchung, das «Angeld des Heiligen Geistes» in den Seelen der Glaubenden in einen direkten und konstatierbaren Besitz mehr oder weniger Wissender zu verwandeln.
Schon im zweiten Jahrhundert beanspruchten Montanus und seine Prophetinnen Inkarnationen des heiligen prophetischen Geistes zu sein, der aus ihnen eine übertrieben rigorose Ethik verkündete; der Eiferer Tertullian ließ sich vom Integralismus dieser Sekte bestechen und schloß sich ihr an. War der Montanismus von einer Aneignung der «Gabe der Prophetie» ausgegangen, so gingen die Euchiten (syrisch: Messalianer) im fünften Jahrhundert von dem paulinischen Gebot aus, immerfort zu beten. Für sie waren weder die Sakramente der Kirche noch die bloße Askese fähig, das in der Seele des Menschen hausende Böse zu überwinden, nur der durch Gebet in der Seele erfahrungshaft wohnende Heilige Geist konnte es verdrängen. Die Schriften dieser weitverzweigten, einflußreichen Bewegung wurden teilweise der kirchlichen Orthodoxie angenähert (so in den berühmten 50 ps.-makarischen Homilien), die Übergänge zur echt-kirchlichen Literatur sind fließend. Dazu kam, daß das erste Mönchtum sich auch ohne messalianischen Einfluß eifrig mit Reflexion über Gebetszustände, Gegenwart des Heiligen und des unheiligen Geistes in der Seele (Evagrius Ponticus) und so mit der «Unterscheidung der Geister» befaßte, so daß nunmehr das Wort «Erfahrung» (peira) mit einem neuen positiven Sinn in diesen Kreisen eine große Rolle zu spielen begann.
Man kann dies – um nur ein kennzeichnendes Beispiel zu nehmen – bei Diadochus, dem genialen Bischof von Photike, verfolgen, der zugleich ein scharfsinniger Bekämpfer der messalianischen Lehre war, und doch vieles von ihrem Erfahrungsbegriff übernahm14. Es gibt für ihn eine «Erfahrung der Agape», eine «geistliche Erfahrung», eine «Erfahrung des Glaubens», eine «Erfahrung der Erleuchtung» usf. Dennoch sind die intensiven Beobachtungen «theologischer Zustände» in der Seele des Betenden, eifrig nach Gott Strebenden bei Diadochus restlos hingeordnet auf eine (durchaus orthodoxe) Lehre von der Unterscheidung der Geister; nicht ohne Grund war sein Werk eine empfohlene Lektüre in den ersten Noviziaten der Gesellschaft Jesu.
Maximus Confessor wird vieles von Diadochus lernen und es in sein Spruchwerk über die Caritas übernehmen15, und die Lehre von der Unterscheidung der Geister wird durch das Mittelalter ohne wesentlichen Unterbruch sich bis in die ignatianischen Exerzitien fortpflanzen. Sie erhält in jeder Kirchenzeit, auch der unsrigen, erneute Aktualität, zumal das Verhältnis zwischen reinem Glauben und hinzutretender Glaubenserfahrung auf keinen einfachen und eindeutigen Nenner gebracht werden kann.
6. Zur Aktualität
In der Bibel Alten wie Neuen Testaments bleibt die Hauptartikulation des Verhältnisses zwischen Gott und Mensch diejenige von Offenbarung und Glaube. Und gewiß wird die Offenbarung durch einzelne Menschen vermittelt, von denen man sagen kann, daß sie als Propheten oder Visionäre eine andere, erfahrungshaftere Kenntnis Gottes besitzen als jene, die «aus dem Hören zum Glauben kommen» (Röm 10,17). Und nochmals gewiß werden die Augen und Ohren der Jünger seliggepriesen, die sehen und hören, was so viele andere vor ihnen zu sehen und zu hören ersehnten (Mt 13,16f.). Doch erhält diese Seligpreisung ihre Kraft eigentlich erst nach Ostern, wo der Herr den Jüngern entschwindet: in der «Gleichzeitigkeit» mit ihm haben sie nicht wirklich gesehen und gehört16. Und gerade in diesem «Sehen und Hören», das erst im Moment wirklich wird, da der Herr sich entzieht («es ist gut für euch, daß ich gehe»), wird die Erfahrung der Apostel archetypisch für die folgenden Geschlechter17: einerseits wird das «Sehen und Hören» für die letzteren durchgestrichen: «Selig, die nicht sehen und doch glauben» (Joh 20,29; vgl. 1 Petr 1,8), anderseits werden sie durch den Glauben in die archetypische Erfahrung der Augenzeugen gleichrangig miteinbezogen: «Was wir gehört und mit unseren Augen gesehen und mit den Händen betastet haben … vom Worte des Lebens (nicht: ‹vom historischen Jesus›), das bezeugen und verkünden wir euch … damit auch ihr mit uns Gemeinschaft habt» (1 Joh 1,1-3).
Diese Teilnahme am «Erfahren» der ursprünglichen Christusoffenbarung, die ausdrücklich «Gemeinschaft» schaffen soll, ist offenkundig nach dem Johannesbrief nur erreichbar, wenn die Hörenden in eine Glaubensgemeinschaft hineingezogen werden, die eine Vergegenwärtigung Christi im Heiligen Geist besagt: «Ich in ihnen», betet Jesus zum Vater, «du in mir, auf daß sie vollkommen eins seien, damit die Welt erkenne …» (Joh 17,23). Auch wenn Paulus vom Glauben aus dem Hören spricht, hat er immer das Lebenszeugnis des Verkündenden und hinter diesem der Gemeinde mit im Blick. Das heißt, daß ohne jede Erfahrung christlicher Wirklichkeit ein Zutritt zum Glauben nicht möglich ist. Dabei muß aber deutlich werden, daß diese christliche Lebendigkeit sich am Glaubensinhalt – der Tat Gottes im lebendigen Christus – und nicht an der subjektiven Erfahrung des Glaubensaktes mißt.
Hier stehen wir abermals bei dem am Anfang betonten Verzicht (auf unmittelbare Erfahrung), die die Bedingung jeder wahrhaft christlichen Glaubenserfahrung bildet. Keiner dürfte dieses Moment besser erfaßt und dargestellt haben als Maurice Blondel18. Nur durch Verzicht auf jede Teilerfahrung und jede subjektive Rückversicherung, Erfahrenes für sich zu besitzen, schenkt sich uns das Ganze des Seins, das göttliche Geheimnis von sich her. Gott braucht selbstlose Gefäße, um seine wesentliche Selbstlosigkeit in sie einzugießen.
Das Gesetz des Verzichts kann für den Einzelnen in Zeiten, da echtes kirchliches Leben sich nur schwächlich äußert, dagegen vielerlei Sekten mit Angeboten unmittelbarer «Erfahrungen» locken, sehr schwer werden. Aber wer diese Schwierigkeit erlebt, glaube nicht, daß es der Mystiker mit seinen scheinbar unmittelbaren Erfahrungen göttlicher Dinge leichter hat. Denn jede wahre Mystik, sei sie noch so reich an Visionen und andern Gotteserfahrungen, steht mindestens ebenso strikt unter dem Gesetz des Kreuzes – das heißt der Nicht-Erfahrung – als der scheinbar Vergessene in der Wüste des weltlichen Alltags. Er muß vielleicht noch durch härtere Durststrecken hindurch. Wo das nicht der Fall ist, wo gar durch erlernbare Techniken eine Mystik ohne die Bitterkeiten und Demütigungen des Kreuzes angeboten wird, da können wir sicher sein, daß sie christlich unecht und belanglos ist.
Halten wir uns stets vor Augen, daß die Bibel das Wort «Erfahrung» nicht und die Sache nur indirekt kennt, als ein Moment an andern wesentlicheren Inhalten: dem des Glaubens als verzichtender Hingabe seiner selbst und seiner Erkenntnis als letzter Norm, dem der Bewährung als durchgestandener Erprobung, an der Gott «erfahren» will, ob sein Glaubender treu sei. Nirgends ist Übernatürliches unmittelbar erfahrbar. Wenn die alte Kirche das Sakrament der Taufe als «Erleuchtung» (illuminatio) bezeichnete, meinte sie damit ein objektives und nicht ein subjektiv verifizierbares Geschehen. Wenn Paulus von einem lebendigen Eindringen in den Glauben redet, dann spricht er von «epignosis», Verstehen, und nicht von «Erfahren» (Phil 1,9f. usf.); «aisthesis» (im gleichen Zusammenhang) heißt nicht sinnenhafte Erfahrung, sondern sittliches Verständnis, Taktempfinden.
Wenn Gott in Jesus Christus auf uns zukommt, ja in uns wohnen will, dann heißt das nicht, daß er an Erhabenheit und Unbegreiflichkeit einbüßt, sondern daß diese Eigenschaften, die für uns bisher kaum mehr waren als abstrakte Worte, plötzlich einen Glanz erhalten, der sie uns konkret werden läßt, gerade dann, wenn wir wissen, daß wir Kinder des göttlichen Vaters genannt werden und sind.
- Er-fahren heißt ganz wörtlich: «reisend, durch Hineinfahren erkunden». Und «fahren» stammt von der gleichen Wurzel «per» (zu etwas durchdringen, etwas durchbohren, durchfahren) wie lateinisch per = hindurch, ex-per-ientia = durch angestellte Versuche gewonnene Erfahrung; griechisch: peira = Erfahrung, peiro = durchdringen, peirao = versuchen, erproben, kennen, lernen.↩
- Entsprechend das strikte Verbot im Römerbrief, Gottes größere Gnade durch Sündigen zu «erproben» 3,5-8; 6,1.15.↩
- Wilhelm Thüsing, Neutestamentliche Zugangswege zu einer transzendental-dialogischen Christologie. In: K. Rahner / W. Thüsing, Christologie systematisch und exegetisch. Quaestiones Disputatae 55. Freiburg i. Br. 1972, S. 154.↩
- Adv. Haer. IV 37,7.↩
- Peri Archon III 1,12.↩
- Über das Gebet II 29,13.↩
- P G 31, 344 CD.↩
- P G 44, 204BC. Darüber ein ganzes Kapitel bei Jean Daniélou, L’Etre et le Temps chez Grégoire de Nysse. Leyden 1970, S. 186-204.↩
- Enn. 4,4,8; vgl. 4,8,7. Bréhier denkt an Einflüsse stoischer Theodizee und verweist auf Chrysipp (Arnim, Stoicorum Vet. Frag. II n. 1175, 1152).↩
- Vgl. mein Werk: Kosmische Liturgie. Das Weltbild Maximus des Bekenners. Einsiedeln 21961, S. 124f.↩
- C. Gent. I 71.↩
- Aber man bleibt besser bei der bildlichen biblischen Bezeichnung: «Unterpfand, Angeld des Geistes»: 2 Kor 1,22; Eph 1,14. Denn dies zeigt auch die innere Unvollständigkeit der jetzigen Gabe und verweist uns auf den Weg zur «Vollsumme» im ewigen Leben.↩
- Dies schildert Thomas von Aquin in seinem berühmten Traktat über die Geistesgaben: S. Th. II I q 68; II II qq 8, 9, 19, 45, 52, 121, 139.↩
- Man lese die Texte, die in der Ausgabe von Eduard des Places (Oeuvres Spirituelles, Sources Chrétiennes 5 bis, 1955) im Register unter «peira» zusammengestellt sind.↩
- Übersetzung in: Kosmische Liturgie, a. a. O. S. 408-481.↩
- Darüber die vorzüglichen Ausführungen über den kierkegaardschen Begriff der «Gleichzeitigkeit» und dessen kirchliche Richtigstellung bei Fernand Guimet, Existenz und Ewigkeit. Einsiedeln 1973, S. 39-49.↩
- Darüber: Herrlichkeit I. 21968, S. 290ff.↩
- Vgl. dazu Manuel Ossa B., Possession de l’être et abnégation dans la philosophie de Maurice Blondel. In: «Revue d’Ascétique et de Mystique» 38, 1962, S. 483-509.↩

Hans Urs von Balthasar
Original title
Gotteserfahrung biblisch und patristisch
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Specifications
Language:
German
Original language:
GermanPublisher:
Saint John PublicationsYear:
2025Type:
Article