«Bernanos», so Balthasar, «der tief leidende Christ, der oft als ein beinah regelloser Pneumatiker erscheinen könnte, hat sich in Wahrheit nur bis in jene schreckliche Nacktheit der Seele entblößt, wo sie ungeschützt dem evangelischen Feuer ausgesetzt ist, einem Brand, der für den Dichter nicht anders als durch die von der Kirche entfachten sakramentalen Fackeln appliziert wird. Um die Fackel der Taufe geht es in ‹Eine Nacht›, um Priesterweihe und Eucharistie, Beichte und Salbung in der ‹Sonne Satans›, im ‹Abtrünnigen› und in der ‹Freude›, im ‹Tagebuch des Landpfarrers›, um die objektive quasi-sakramentale Gewalt des Gelübdes in den ‹Karmelitinnen›. Und wenn der Dichter in einer abgründigen Angst lebt, so hat er es verstanden, diese Angst zuletzt bei der Ölberg-Angst anzusiedeln, weit jenseits der philosophischen Angst Heideggers und der von Neurose nicht freien Angst Kierkegaards; echte christliche Angst ist die endlich in verzehrendes Feuer umgesetzte Fäulnis der Sünde.» Balthasars Werk «Bernanos» (erstmals veröffentlicht 1954 bei Hegner) hängt eng mit der Fragestellung «Theologie und Heiligkeit» zusammen. Was den Dichter in all seinen erzählenden Werken umtreibt, ist das Phänomen gelebter Heiligkeit in der Kirche, sei es durch den Priester, den er als vorbildlich betrachtet, sei es durch einen Laien wie Chantal in «Die Freude», das stellvertretende Opferlamm der sie umgebenden Bösewichte, und zwar in einer Kirche, die der Dichter sehr objektiv-katholisch als eine solche der (gelebten!) Sakramente und des amtlichen Gehorsams sieht. Fasziniert vom Phänomen des äußersten von Menschen verwirklichbaren Bösen dichtet er am Abgrund der Hölle, die doch immer wieder vom hingegebenen, in Christi Nachfolge ohnmächtig leidenden Christen in Schach gehalten und unterwandert wird. «Wenig Bücher», resümierte Balthasar, «habe ich mit mehr innerer Anteilnahme geschrieben, unmittelbar nach meinem Austritt aus der Gesellschaft Jesu.»