Der Band «Eschatologie in unserer Zeit – Die letzten Dinge des Menschen und das Christentum» (Bd. VI der Studienausgabe der frühen Schriften Hans Urs von Balthasars) erschien 2005 zum 100. Geburtstag des Theologen, nach einem druckfertigen Manuskript, das er 1955 verfasst, aber nicht veröffentlicht hatte. Der Text zeigt, dass die Grundausrichtung von Balthasars späterer Eschatologie (z.B. Theodramatik) bereits 1955 im Ansatz grundgelegt ist.
Bemerkenswert an diesem Manuskript ist zunächst, dass Balthasar den Tod als Abbruch und Fragmentierung des Lebens versteht. Er setzt sich damit entschieden von idealistischen Deutungen ab, die den Tod als Vollendung der menschlichen Freiheitsgeschichte interpretieren. Er zeichnet in wenigen Strichen die fällige Verschiebung von einer kosmologisch dimensionierten zu einer personal-christologischen Eschatologie. Statt eine «Topographie des Jenseits» zu entwerfen, in der Himmel, Hölle und Fegfeuer klar umrissene Orte sind, werden die Eschata an Jesus Christus, dem auferweckten Gekreuzigten abgelesen, der zugleich Richter und Retter der Menschen ist. Die heils-universalistische Option von Balthasars aber ergibt sich aus einer Vertiefung der Kreuzestheologie und ist mit einer Theologie der «billigen Gnade» nicht zu verwechseln. Erst das stellvertretende Sterben Jesu Christi am Kreuz sowie die Übernahme der sündigen Gottverlassenheit im Höllenabstieg geben der Hoffnung Grund, dass auch der Verlorenste noch gerettet werden kann. Weiterführend sind schließlich die Überlegungen zum Verhältnis von Zeit und Ewigkeit. Wenn Gott, der Ewige, sich in Jesus Christus in der Zeit engagiert hat, dann hat das Zeitliche in Gott einen Ort, und Gottes Ewigkeit kann nicht einfach in Opposition zur Geschichte gefasst werden. Das Werk liefert auch ein Exempel für die Sprachmacht von Balthasars Theologie.