Menü
Einsame Zwiesprache
Martin Buber und das Christentum
Präsentation
Beschreibung
Leseprobe
Inhalt
Bubers Anspruch geht dahin, die Idee des Jüdischen von allem historischen Ballast, aller Skurrilität, aber auch allen Verwischungen zu reinigen und sie in ihrer klaren Gegenwartsgültigkeit vor die Welt zu stellen, verständlich gemacht, aber unüberhörbar in ihrer Forderung: deshalb hat auch der Christ die Wahl nicht, auszuweichen. Bubers Stimme, mag sie ihm Sympathisches sagen oder nicht, zwingt ihn, aus der Sache heraus, in den Dialog. Man weiß, wie spärlich dieser seit der Gründung der christlichen Kirche floss, wie sehr das Judentum sich von dieser abkapselte, die Kirche dem widerspenstigen Volk den Rücken drehte; die Geschichte der Annäherungen und Beziehungen ist großenteils von Unerquicklichkeiten erfüllt. Das ungeheure eschatologische Licht, das vom 11. Kapitel des Römerbriefes auf Israel fällt, wurde nicht gesehen; kaum einmal bei Origenes aufgeglänzt, ist es alsbald wieder verdunkelt. Es war nicht das gleiche Licht, das mit der Aufklärung und dem liberalen Protestantismus in die Ghettos drang und deren Tore öffnete; die Verständigung auf der Grundlage der These, Jesus sei ein religiöser, prophetisch begabter Mensch gewesen, der die Religion seiner Väter verehrt, gereinigt, vergeistigt habe, war freilich leicht möglich, aber was war damit gewonnen? Man unterhielt sich jetzt bloß noch über unerhebliche Differenzen im Bereich der Religionsphilosophie. Man war einig, bevor das Gespräch noch begann; zwischen der alten Synagoge aber und der alten Kirche: wo wurde da, auch in den letzten Jahrhunderten, ernsthaft geredet? Gespräche lohnen sich dort, wo sie schwierig sind und nicht anders durchzuhalten als im Kampf. Solange es nicht um Macht und Überlegenheit geht, sondern um den Dienst an der Sache, die jeder als seinen gottgegebenen Auftrag empfindet, kann man nicht sagen, dass die Härte dieses Kampfes je ein «Abbruch der Kommunikation», eine Verletzung des Dialogischen sei.
Trotzdem gibt es im Gespräch die Situation des «Ultimatums», die sehr nah an solchen Abbruch heranführen kann. Die Weise, wie die beiden großen Dialogisten unserer Zeit, Buber und Jaspers, mit der katholischen Kirche zu reden pflegen, beleuchtet diese Tatsache. Sie kann konkret nichts anderes besagen als den Vorwurf an die Kirche, aufgrund ihrer unüberwindlichen dogmatischen Unduldsamkeit dialogunfähig zu sein. Buber nennt unter jenen Christen, mit denen ein echter Kontakt sich hergestellt hat, lauter Antidogmatiker, um nicht zu sagen lauter Liberale. Ein Katholik ist nicht dabei. Und wenn von liberaler Seite besonders über das religionsphilosophische Werk Bubers manches Gültige veröffentlicht wurde, so ist und bleibt die Ernte auf katholischer Seite mager. Man kann jedoch sagen, dass Buber sich grundsätzlich keinem Partner verweigert hat, der sich als ein solcher stellt.
Aus dem 1. Kapitel
Das Werk erschien erstmals 1958 bei Hegner. Siehe auch: Michael Schmaus, Rezension von Einsame Zwiesprache (PDF)
Editionen
Originalsprache