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Augustinus. Über die Psalmen
Präsentation
Beschreibung
Diese umfangreiche Textauswahl aus Augustins Psalmenkommentar (Enarrationes in Psalmos) hat Hans Urs von Balthasar in seiner Studienzeit in Lyon/Fourvière 1936 zusammengestellt, übersetzt und veröffentlicht (Jakob Hegner). Sinn und Zweck seiner Auswahl erläutert er folgendermaßen:
«Wir können den Sinn des Psalmenkommentars und seinen Platz im Gesamtwerk Augustins vielleicht nicht kürzer angeben, als indem wir ihn als die unentbehrliche Ergänzung zum ‹Gottesstaat› bezeichnen. Jene in den ‹Bekenntnissen›, der zugleich episch-schildernden und lyrisch-reflektierenden Geschichte seines Lebens, verwirklichte Einheit von Erzählung und Versenkung gibt sich hier, wo es um den welthistorischen Lebenslauf des mystischen Christus, des irdischen Jerusalem, der Kirche geht, als zerlegt in eine biographische Chronik: den ‹Gottesstaat›, und in ein gleichsam intimes Stundenbuch, das den Blick in die betende, leidende oder jubelnde Innerlichkeit des Einen Menschen freilegt: den ‹Psalmenkommentar›.
War es bereits ein gemeinsamer Gedanke der Kirchenväter, dass das Alte Testament samt und sonders in Bildern und Gleichnissen von Christus rede, dass also gerade das Psalmenbuch tiefe Blicke in sein verborgenes Gebet eröffnen müsse, so hat doch erst die menschliche Überlegenheit Augustins dieser Vermutung zu erstaunter Gewissheit verholfen: Die Psalmen werden ihm in ihrer alle menschlichen Möglichkeiten umspannenden Bewegtheit zum eigentlichen Gebetbuch des mystischen Christus, den wir darin bald als ‹Haupt›, bald als ‹Leib› zu Gott betend oder auch in geheimnisvoller Zwiesprache zwischen ‹Haupt› und ‹Leib› redend vernehmen. Mit dieser Einsicht halten wir den Kern, das Thema des verwirrend reichen Buches: der Stoff einer ganzen Welt - denn welches Menschliche bliebe diesem Menschen fremd - wird gebändigt und durchformt von der Einheit des sinnenden, redenden, betenden, leidenden Ich des Gesamt-Christus, von der Einzigkeit seines welthistorischen Bewusstseins. Wir erhorchen also die Gestimmtheit, gleichsam die inwendige Stimme der Kirche, die in der Zwei-Einsamkeit von ‹Bräutigam› und ‹Braut› ihr eigenes [im ‹Gottesstaat› erzähltes] Leben innerlich durchbetrachtet: ein Leben, das mit Adam anhob und bis ans Jüngste Gericht reicht, außen ein Ringen mit dem andern mystischen Leib, dem des Bösen, mit ihm bis zur Möglichkeit der Verwechslung verschlungen, innen darum ein Leben von Schuld, Leid, Schmach, Erniedrigung, aber immer durchzuckt von je helleren Blitzen der Gnade, ein Leben darum, das als eine einzige Sehnsuchts- und Liebesflamme zu Gott durch die Nacht dieser Welt leuchtet, ein Leben, das den bedeutenden Doppelsinn der ‹Bekenntnisse›, demütiges Schuldbekennen und stammelndes Gotteslob zu sein, erst in weltgeschichtlicher Ausweitung erfüllt. Denn Augustins eigene strömende Innerlichkeit breitet sich hier aus zum Mitströmen mit der ‹Existenzialität› der Kirche, - dadurch, dass sie sich objektiviert zum schlichten Dienst eines Schriftauslegers, leiht sie durch eben diese Selbstentsagung der Kirche das Organ für eine Selbstaussage von bisher unbekannter Eindringlichkeit.
Der Kommentar gleicht einer unübersehbar mannigfaltigen Landschaft, und genauer jenen meilenweiten chinesischen Naturmalereien auf nie ganz entrollten Bändern. Behaglich, fast träge, windet sich der Strom der Rede um alle Biegungen und Launen des Text-Geländes - und wieviel Launen hatte nicht dieser alte lateinische, verschnörkelte, oft völlig unverständliche Psalmentext! -, und offenbart meistens gerade am Hindernis seine überlegene Schönheit, seine Meisterschaft. Geduldig folgt der Ausleger Vers für Vers dem Texte, deutet, schafft Bezüge nach vorn und nach rückwärts, weitet oft unter der Eingebung des Augenblicks den Strom zum See - in jenen Exkursen, die jeweils zum Besten des Kommentars gehören -, nie aber trägt er eine äußere, literarische Einheitsform an seine Vorlage heran. Form und Mitte stammen einzig vom redenden Subjekt der Psalmen selbst.
Aus dieser schier unabsehbaren Landschaft konnten wir hier nur flüchtige Ausschnitte zeigen. Wenn Augustin an jeder Wendung weite Horizonte auftut, so durften wir von ihnen immer nur eine ‹Skizze› mit uns nehmen, die ihr Besonderes in wenig Strichen festzuhalten trachtet. Weil aber das Werk die gleichen Motive, und oft genug in fast wörtlicher Wiederholung, immer von neuem abwandelt, so vermag diese Auswahl doch ein wirklich sich rundendes Bild des gesamten Gehalts zu geben.»