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Der Heilige Geist
Unergründliches Geheimnis unseres Glaubens?
Hans Urs von Balthasar
Originaltitel
Der Heilige Geist – Unergründliches Geheimnis unseres Glaubens?
Erhalten
Themen
Technische Daten
Sprache:
Deutsch
Sprache des Originals:
DeutschImpressum:
Saint John PublicationsJahr:
2022Typ:
Artikel
Der Heilige Geist ist in Gott sowohl die gegenseitige Liebe zwischen Vater und Sohn wie die Frucht dieser Liebe. Darin ist er das Urbild des Geheimnisses, das in jeder wirklichen und freien Liebe steckt: Sie ist ein Ineinandergehen zweier Liebenden, ohne ihre «Person» dadurch aufzuheben, und sie ist im gegenseitigen Sich-umfangen gleichzeitig der Hervorgang eines Dritten (bei Menschen kann es das Kind sein oder ein gemeinsames Werk, auf jeden Fall etwas, das das bloße Zwei-Eins übersteigt). Damit ist ein erstes gewonnen: Die Logik der Liebe ist in Gott und im Geschöpf nicht unvergleichbar. Es könnte ja zunächst scheinen, als sei die Logik in der Welt die eines Ja und Nein (Abaelard schrieb ein Werk: Sic et Non): etwas ist wahr oder es ist falsch. Aber das ist (mit Hegel gesprochen) nur die «Logik des Verstandes», nicht die der «Vernunft», die immer ein Drittes zwischen These und Antithese kennt; die Logik der menschlichen Existenz ist ein wenn auch noch so fernes – Abbild der Trinität. Das heißt dann auch für den Menschen: Das entscheidende Maß seiner Existenz ist nicht das Wissen, sondern die Liebe, und die «maßlose» Liebe bestimmt das Maß und die Grenze dessen, was zu wissen für ihn gut und heilsam ist.
Ein zweites Problem knüpft hier an: Wie kann es, wenn Gott als Liebe auch die absolute Freiheit ist, «neben» ihm noch echte geschöpfliche Freiheit geben? Darauf gibt es nur eine Antwort: Gottes Liebesallmacht ist so groß, daß er Geschöpfe von eigener Freiheit erschaffen kann, wobei genau die Aussage des hl. Thomas gilt: «Je höher ein Geschöpf steht, je ähnlicher es damit Gott ist, umso fähiger ist es, sich selber in Freiheit zu bewegen». Der Heilige Geist, der uns mit Gott verbindet und uns seiner Freiheit teilhaftig macht, schenkt uns in eben dem Maße auch eigene Freiheit. Keine noch so fein gesponnene Theologie kann dieses wunderbare und doch ganz einsichtige Faktum hinterfragen, ohne Gott und den Menschen als den Einen und den Anderen gegenüberzustellen, während Nikolaus von Kues mit Recht sagt: «Gott ist der Nicht-Andere». Der Geist Gottes schenkt uns drittens die «Unterscheidung der Geister», denn es gibt ja, nach Johannes, «vielerlei Geister in der Welt», auch gegengöttliche, die sich sehr wohl in «Engel des Lichtes» zu verkleiden wissen. Die ganze Bibel Alten und Neuen Bundes gibt uns klare Anweisungen, den wahren und falschen Geist zu unterscheiden, und die Kirchengeschichte hat von Anfang bis heute diese Anweisungen näher bedacht. Die schlichteste Regel weist uns an, auf die Frucht einer Tat, einer Haltung, einer Weltanschauung zu achten. Keinesfalls sind fromme und lustvolle Gestimmtheiten ein Symptom, daß der Heilige Geist uns führt.
Unterscheidung der Geister
Was bedeutet Unterscheidung der Geister heute? Für den einzelnen genügen ohne Zweifel die Weisungen des Neuen Testamentes, wie sie etwa ausgelegt werden in den Exerzitien des Ignatius oder in den anderen großen Lehren der Kirche. Es ist völlig ausreichend, daß ich den Trost im Heiligen Geist nicht als etwas Absolutes nehmen kann, sondern mir sagen muß, daß Gott mich prüfen kann und prüfen muß dadurch, daß er mir auch Trostlosigkeit oder Trockenheit oder Langeweile in den geistlichen Dingen gibt. Das kann Gott gar nicht anders tun, um herauszubringen, ob ein Mensch wirklich Gott sucht im Gebet, oder sein eigenes Vergnügen sucht: Es tut mir so gut, zu beten. Seelenhygiene. Wenn einer auf dem Weg Gottes zunächst einmal anfängt zu gehen, empfindet er immer Trost. Dieser Trost muß unbedingt geprüft werden.
Natürlich gibt es in der Kirche eine Kritik an den Menschlichkeiten der Kirche. Paulus hat mehrere Gemeinden sehr scharf kritisiert. Es gibt Heilige, die die Kirche kritisiert haben. In welchem Geist aber wird die Kirche kritisiert? Wenn dieser Geist wirkliche Liebe der Kirche ist, nicht der Kirche, wie ich sie mir einbilde, sondern so wie Gott sie gestiftet hat, dann mag es gut sein. Wenn es aber eine Kritik der Bitterkeit ist und der Überheblichkeit und des Besserwissens und nicht im Gehorsam an den Heiligen Geist, der in der Kirche ist, dann geht es nicht. Wir haben in den letzten Jahrzehnten vieles erlebt an solcher Kirchenkritik, von der wir sagen müssen: sie ist eigentlich antiquiert.
Gehorsam
Es gibt sehr viele Kritiken an der Kirche bei Heiligen. Aber es gibt immer einen Punkt, an dem das, was vom Heiligen Geist in die Kirche hineingebracht und von der Kirche nicht angenommen wird, ausgetragen werden muß in einem Gehorsam gegenüber Gott und der Kirche. Vielleicht eine der großartigsten Figuren ist Mary Ward, die zwei oder drei Jahrhunderte zu früh ein Säkularinstitut gründen wollte, also nicht im Kloster, sondern draußen in der Welt. Das Werk der Mary Ward hat man von Rom aus kurz und klein geschlagen. Sie hatte keinen Augenblick ein Ressentiment gegen die Kardinäle, die ihr das angetan haben. Sie hat sich alles wieder nehmen lassen.
Der heilige Ignatius ist unter Paul IV. gestorben, eigentlich seinem Feind, der drauf und dran war, die ganze Gesellschaft Jesu in einen mittelalterlichen Orden zurückzuverwandeln. Ignatius hat den Ausgang dieses Kampfes gar nicht mehr erlebt. Er ist gestorben angesichts der Bedrohung seines ganzen Werkes. Aber er hat noch einen Bruder in den Vatikan geschickt, damit er einen Sterbesegen bekommt. Das zweite, was zu sagen ist: Niemand kann in der Kirche den Heiligen Geist für sich beanspruchen oder «pachten». Der Heilige Geist weht in der gesamten Kirche und jeder einzelne, jede einzelne Gruppe hat soweit teil am Heiligen Geist, als er teil an der Gesamtkirche hat. Es gibt keine Bewegung in der Kirche, die sagen kann: Wir haben den Heiligen Geist, wir sind die wahre katholische Kirche. Die alten großen Orden haben das nie für sich beansprucht. Seltsamerweise ist es bei den heutigen, neuen Bewegungen anders. Diese neuen Bewegungen haben den Vorteil, daß sie nicht an der Kirche herumkritisieren. Sie sind kirchlich, sie sind päpstlich, sie sind durchaus für die Kirche, wie sie nun einmal da ist. Aber sie missionieren nicht, sondern sie werben. Sie werben für sich: Kommt zu uns, wir sind die wahre Kirche. Das ist das Gefährlichste an dem ganzen heutigen Aufbruch in der Kirche, daß alle diese Gruppen und Bewegungen sagen: Wir sind das Wahre.
Sie wollen alle approbiert werden als der Ausbund des Katholizismus, egal ob sie Erneuerungsbewegungen sind oder Säkularinstitute oder «Personalprälaturen» oder «Integrierte Gemeinden» oder was immer es sein mag. Diese Art der Werbung «Wir sind die richtigen» ist das Gefährlichste an der heutigen Situation der Kirche.
Der Heilige Geist legt wesentlich die Liebe zwischen Vater und Sohn aus, wie sie erschienen ist in Jesus Christus. Es ist die Liebe des Vaters, die wir in dem Werk Jesu Christi sehen; natürlich auch die Liebe des Sohnes, aber unser Dankgebet in der Messe geht beispielsweise nicht an Christus, sondern an den Vater. Wir danken dem Vater, daß er uns den Sohn gegeben hat. Diese Liebe des Vaters, die im Sohn, und zwar im menschgewordenen, gekreuzigten Sohn sichtbar wird, das ist es, was der Geist auslegt. Es geht um die Verleiblichung. Das heißt: Das Wort ist Fleisch geworden, und zwar nicht nur irgendein irdisches Wort, sondern das ganze Fleisch, der ganze irdische Jesus ist das Wort des Vaters, einschließlich Tod und Gang in die Hölle und Auferstehung.
Es kann kein Christentum bei Pfingsten einsetzen, wenn es nicht in diesem Pfingsten die Erfüllung von Tod und Auferstehung Jesu sieht. Deshalb die scharfe Kritik des heiligen Paulus an den charismatischen Bewegungen, wie sie in Korinth bestanden haben. Man kann die charismatischen Bewegungen heute nicht in Bausch und Bogen aburteilen. Es gibt hier sehr viele Nuancen. Es gibt die völlig außerhalb der Kirche stehenden, die wirklich nur noch den Heiligen Geist kennen und sich um das Kreuztragen Jesu nicht mehr kümmern wollen. Und es gibt sehr gute charismatische Bewegungen, die wirklich aus der Mitte des Evangeliums Jesu sprechen und leben. Das In-Ekstase-Sein und In-Zungen-Reden, das ist kein Kriterium. Der Geist ist nie ein Selbstzweck, sondern immer Ausdruck der sich hingebenden Liebe von Vater und Sohn. Er ist diese Liebe der Hingabe und diese Liebe ist in der Kirche spontan und lebendig. Es soll ein Aufbruch sein in der Kirche, aber in der Kirche, wie sie nun einmal besteht und von Christus und dem Geist gewollt ist.
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