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Speyr

Leben

Adrienne von Speyr (1902-1967) war Ärztin in Basel und theologische Schriftstellerin. Die Begegnung mit Hans Urs von Balthasar lässt sie 1940 in die katholische Kirche konvertieren. Zusammen mit ihm gründet sie die Johannesgemeinschaft. Sie verfasste ein theologisches Werk von über sechzig Büchern.

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Kurz nach ihrem Tod 1967 verfasste Hans Urs von Balthasar die folgende Skizze über Adrienne von Speyrs Leben und Wesen als Nachruf für ihre Freunde und Verwandten.

01. Frühe Jahre

Adrienne von Speyr wurde am 20. September 1902 als zweites Kind des Basler Augenarztes Theodor von Speyr und seiner Gattin Laure, geborene Girard, in La Chaux-de-Fonds geboren, wo ihr Vater praktizierte. Ihre Eltern hatten sich wenige Jahre zuvor verheiratet und waren beide jung. Der Vater stammte aus einem Basler Geschlecht, dem schon vor der Reformation Glockengießer, Heiligenmaler und Buchdrucker angehört hatten; unter den «Cloches de Bâle» befinden sich einige, die noch heute den Namen der von Speyrschen Werkstatt tragen. Später waren Ärzte und Pfarrer und in allen Generationen tüchtige Geschäftsleute aus dem Geschlecht hervorgegangen. Die Mutter Adriennes war das Kind von Uhrenmachern und Bijoutiers, die in Genf und Neuenburg Erfolg gehabt hatten. Die herbe Schönheit des Jura hat Adrienne Zeit ihres Lebens und zumal in ihren späteren Jahren in leuchtenden Bildern vor Augen gestanden.

  • Foto: Die Eltern mit den beiden Töchtern Adrienne (im Arm der Mutter) und Helen
  • Foto: Adrienne von Speyr als Mädchen
  • Foto: Les Tilleuls, das Haus der Großmutter und Kindheitsrefugium von Adrienne von Speyr
Die Eltern mit den beiden Töchtern Adrienne (im Arm der Mutter) und Helen | Adrienne von Speyr als Mädchen | Les Tilleuls, das Haus der Großmutter und Kindheitsrefugium von Adrienne von Speyr

Sie war ein stilles, innerlich sehr frohes, aber öfter krankes Kind, von den frühesten Jahren an hellwach für das Religiöse und seltsam kritisch für die begrenzten Formen des Konfessionellen. Ganz wohl war ihr bei ihrer Großmutter auf dem Gut «Les Tilleuls» vor der Stadt, hier fand sie Geborgenheit und Verständnis, von dieser guten Frau zu erzählen wurde sie nie­mals müde.

In den Ferien durften die Kinder zum Onkel in die Waldau; dieser Onkel war Professor Wilhelm von Speyr, die Waldau die kantonale Irrenanstalt des Kantons Bern, deren Direktor er war. Die kleine Adrienne hatte keinerlei Angst vor den Kranken, vielmehr eine geheimnisvolle Gabe, sie zu verstehen, in Kontakt mit ihnen zu kommen, sie zu besänftigen; ihr Onkel wusste es und scheute sich nicht, die kleine Didi mit ihrer Puppe in die Zimmer von Schwerkranken zu schicken. Die äußere und innere Landschaft der Waldau wurde für das Kind zur zweiten Heimat.


02. Bildung und Krankheit

Unvergesslich blieb für Adrienne von Speyr das Gymnasium von La Chaux-de-Fonds, wo sie Latein und Griechisch lernte und sich eine sprachliche Zucht im Französischen aneignete, die sie später mühelos aufs Deutsche übertrug. Sie liebte das knappe, richtige Wort und besaß eine Abscheu vor allem Geschwätz. Als einziges Mädchen in einer Klasse von Knaben war sie spielend die Erste, ihr sprühendes Temperament, ihre immer gute Laune, ihr liebevoller Humor machten sie zum Abgott der Schule.

Aber als Adrienne fünfzehn war, starb ihr Vater im Februar 1918; er stand eben in voller Entfaltung und war im Begriff zum Ausbau seiner wissenschaftlichen Tätigkeit in seine Vaterstadt zurückzukehren, als ihn eine Krankheit in wenigen Tagen dahinraffte. Adrienne, die ihre Mitschüler an Reife und Begabung übertraf, glaubte nun auch zu Hause eine ungewöhnliche Bürde an Arbeit und Fürsorge auf sich nehmen zu sollen. Ihre Kräfte brachen unter dem Übermaß von Belastungen zusammen; eine schwere Tuberkulose gefährdete ihr junges Leben. Sie verbrachte den Sommer im Sanatorium von Langenbruck, dann zwei Jahre – Oktober 1918 bis Juli 1920 – in Leysin, eine Zeit, in der sie viel betete und mit der Welt des Leidens vertraut wurde; erst halbwegs genesen ging sie in andere Häuser, um Sterbenden beizustehen.

  • Foto: Adrienne von Speyr (kniend) mit Krankenschwestern und Patienten des Sanatoriums Langenbruck, Schweiz (1918)
  • Adrienne von Speyr als Gymnasiastin in La Chaux-de-Fonds (ca. 1917)
Adrienne von Speyr (kniend) mit Krankenschwestern und Patienten des Sanatoriums Langenbruck, Schweiz (1918) | Von Speyr als Gymnasiastin in La Chaux-de-Fonds (ca. 1917)

Stärker als je beschäftigte sie die Frage nach der rechten Konfession, sie betete in der katholischen Kapelle. Von Leysin entlassen, aber gesundheitlich nicht gefestigt, begann sie einen Krankenpflegekurs in St-Loup mitzumachen, erlitt einen Rück­fall und wurde vom Onkel zur Pflege in die Waldau genommen, wo sie Heilung fand.

Da die Familie in der Zwischenzeit nach Basel übergesiedelt war, trat Adrienne als Neunzehnjährige in das dortige Mädchengymnasium ein, lernte Deutsch und bestand nach anderthalb Jahren die Matura. Auch hier wurde sie in kürzester Zeit zum moralischen Mittelpunkt und Exponenten ihrer Klasse, von den Mitschülerinnen wie von Lehrern und vom Rektor ins Vertrauen gezogen. Die Mutter hätte sie nun gern mit einem Bankbeamten verheiratet, allein sie erklärte, Medizin studieren zu wollen. Da sie dafür kein Geld erhielt, und auch der Onkel in Bern sich energisch gegen den Plan aussprach, begannen für Adrienne äußerst schwere Jahre, da sie sich mit zahlreichen zusätzlichen Nachhilfestunden das ohnehin belastete Medizinstudium ver­dienen musste.

Gerettet hat sie damals vor allem ihr brennendes Interesse am leidenden Mitmenschen. In den klinischen Se­mestern war sie ganz in ihrem Element, sie erwirkte sich bald die Erlaubnis, häufigen Nachtdienst in den Sälen mit Schwerkranken verrichten zu dürfen, das stille Umhergehen von Bett zu Bett, um zu lindern, mit den Kranken zu beten, sie auf den Tod vorzubereiten, gehörte zu ihren schönsten Erinnerungen. Ihre Lehrer setzte sie in Erstaunen durch ihre Intuitionsgabe, wo es um schwerere Diagnosen ging. Mit großer Verehrung hing sie an dem Chirurgen Gerhard Hotz, dessen früher Tod sie stark berührte. Freundschaften fürs Leben wurden geschlossen, mit den späteren Professoren Franz Merke und Adolf Portmann.


03. Arztberuf und Ehe

Als Adrienne von Speyr 1927 zum erstenmal selbständig Ferien machen konnte, kam es in San Bernardino – nicht ohne kräftige Mitwirkung [des Historikers] Albert Oeri – zu einer raschen Verlobung und bald darauf zur Heirat mit dem Historiker Emil Dürr, der aus einer ersten Ehe zwei kleine Söhne mitbrachte, für die Adrienne zur liebevoll sorgenden Mutter wurde. Die schöne Wohnung auf dem Münster­platz und hoch über dem Rhein wurde bezogen.

  • Foto: Adrienne von Speyr als junge Frau
  • Foto: Adrienne von Speyr mit Arnold und Niklaus, den Söhnen ihres ersten Gatten Emil Dürr (ca. 1930)
Adrienne von Speyr als junge Frau | Mit Arnold und Niklaus, den Söhnen ihres ersten Gatten Emil Dürr (ca. 1930)

Noch war die junge Frau Professor Dürr Studentin, erst ein Jahr darauf bestand sie das Staatsexamen und begann nach einigen Vertretungen auf dem Lande eine Praxis in der Eisengasse bei der mittleren Rheinbrücke, in der sie bald von einem Strom von Patienten überschwemmt wurde, bis zu sechzig und achtzig an einem Tag. Sehr viele Arme waren darunter, die gratis behandelt wurden. Immer sah die junge Ärztin den gesamten Menschen mit all seinen Lebensproblemen vor sich; so wurden nebenher Ehen geheilt, Abtreibungen verhütet – an die tausend, sagte Adrienne einmal – religiöse Fragen besprochen. Eine große Zahl von Entwürfen zeigt, dass sie ein Buch über ärztliche Ethik, vor allem über das menschliche Verhältnis zwischen Arzt und Patient, plante, das leider unvollendet blieb [Arzt und Patient, Johannes Verlag, 1983].

Vorahnungen eines baldigen Todes ihres Mannes verwirklichten sich: Emil Dürr starb an den Folgen eines Sturzes aus der Straßenbahn. Zwei Jahre später – 1936 – schloss Adrienne einen neuen Lebensbund mit dem Basler Historiker und Biographen Jacob Burckhardts, Professor Werner Kaegi.


04. Konversion und Auftrag

Am 1. November 1940 fand Adrienne von Speyrs langes Ringen und Suchen um die Konfession ein Ende; sie trat zur katholischen Kirche über. Ein neuer Lebensabschnitt begann, gekennzeichnet durch überreiche Gebetsgnaden, die nur als charismatisch bezeichnet werden können.

Ihr Gebet wurde immer mehr zu einem Betrachten der Heiligen Schrift, über deren Text sie in völliger Schlichtheit und Natürlichkeit, jeder Exaltation abhold, durchaus ohne jedes theologische Vorstudium, ausführliche Kommentare diktierte, von denen ein großer Teil schon gedruckt vorliegt. Meist diktierte sie nachmittags eine halbe Stunde. Ihre gesammelten geistlichen Schriften würden an die sechzig Bände füllen.

Dies alles erfolgte nebenbei, ohne Störung ihres häuslichen wie ihres beruflichen und gesellschaftlichen Lebens. So wenig war Adrienne eine Introvertierte, dass sie immerfort daran dachte, andern Freude zu machen, unermüdlich und höchst großzügig im Schenken, das sie auf ihre fröhliche, humorvolle, kindliche Art betrieb. Am liebsten schenkte sie anonym. Sie hatte ferner die seltene Gabe, sich gerne und ohne sich zu zieren be­schenken zu lassen, die Atmosphäre der nichtberechnenden Liebe, der «gratuité», war ihr eigentliches Lebenselement. Sie gründete auch eine religiöse Frauengemeinschaft, der sie mit Hingebung vorstand, indem sie mütterliche Güte und nüchterne Klugheit zu verbinden wusste.

Foto: Adrienne von Speyr (links) mit einer Gruppe der Johannesgemeinschaft in Basel (1950er Jahre)
Adrienne von Speyr (links) mit einer Gruppe der Johannesgemeinschaft in Basel (1950er Jahre)

05. Die späten Jahre

Aber schon vor 1940 hatte ein schweres Herzleiden einge­setzt, zu dem sich bald eine ebenso schwere Zuckerkrankheit gesellte. Die Nächte waren fast ganz den Schmerzen und dem Gebet gewidmet. Bald nach 1940 musste sie das Bett bis Mittag hüten, sie schlief meist erst während des Vormittags wenige Stunden. Sie hatte sich eine solche Selbstbeherrschung angeeig­net, dass sie schwere Herzanfälle und sonstige Schmerzen vor Anwesenden ganz oder fast völlig verbergen konnte. Die Praxis musste eingeschränkt, schließlich ganz aufgegeben werden. Lange stille Jahre begannen, wo nachmittags am Schreibtisch in vielem Schweigen und Gebet eine kunstvolle Decke nach der andern gestickt wurde. Dann schwand das Augenlicht, nur noch ein wenig Stricken war möglich, bis auch dies aufhörte und die fast ganz Erblindete jeden Nachmittag noch ein paar Briefe zu schreiben versuchte.

Mit der zähesten Energie rang sie mit der Krankheit und den Schmerzen, zwang sich die steile Stiege zum Arbeitszimmer hinunterzugehen, obschon sie nur mithilfe des Krankentransportes wieder hinaufgetragen werden konnte. Die letzten Monate waren körperlich eine einzige lange Folter, die sie geistig mit der vollkommensten Ruhe und Gestilltheit ertrug. «Que c’est beau de mourir», sagte sie in ihren letzten Tagen, und begründete es damit, dass man nichts mehr vor sich hat als Gott allein. Sie starb am 17. September 1967 und wurde an ihrem 65. Geburtstag begraben.

Es ist, als sei das starke, klare Licht, das von der Persönlichkeit Adrienne von Speyrs ausstrahlte, von der Vorsehung wie mit Vorhängen abgedeckt worden: ihr ganzes Wirken und Leiden spielte sich in einer seltsamen Verborgenheit ab. Als habe Gott ihr alles sogleich entzogen und für sich selbst in Anspruch genommen. Es bleibt seinem Ratschluss überlassen, ob er nach dem Tod dieser großen liebenden Frau die Vorhänge wegziehen will. Jene, die sie besser gekannt haben – und darunter sind gewiss auch zahlreiche ihrer früheren Patienten – werden sich in steter Dankbarkeit an sie erinnern.

  • Foto: Hans Urs von Balthasar und Adrienne von Speyr in Cassina d’Agno beim Luganersee (CH)
  • Foto: Grab Adrienne von Speyrs in Basel; der Grabstein von Albert Schilling verweist auf die Trinität
Hans Urs von Balthasar und Adrienne von Speyr in Cassina d’Agno beim Luganersee (CH) | Grab Adrienne von Speyrs in Basel; der Grabstein von Albert Schilling verweist auf die Trinität

06. Weiterführende Literatur

  • Balthasar, Hans Urs von, Adrienne von Speyr (1902-1967). Die Miterfahrung der Passion und Gottverlassenheit, in P. Imhof (Hrsg.), Frauen des Glaubens, Würzburg, Echter Verlag, 1985, 267–277.
  • Bagnoud, Jacques, Adrienne von Speyr Médecin et Mystique, Roma, Chōra, 2018.
  • ―, Adrienne von Speyr als Ärztin, in Missionskalender 1972, Benediktiner-Missionare von St. Ottilien, 1972, 58⁠⁠-⁠⁠61.
  • ―, Adrienne von Speyr. Gelebte Theologie, Balthasarspeyr.org, Community of Saint John, 1984.
  • ―, Adriennes Charisma, in H. U. von Balthasar – G. Chantraine – A. Scola (Hrsg.), Akten des Römischen Symposiums 27.-29. September 1985 : Adrienne von Speyr und ihre kirchliche Sendung, Einsiedeln, Johannes Verlag, 1986, 173⁠⁠-⁠⁠178.
  • ―, Erster Blick auf Adrienne von Speyr, Trier, Johannes Verlag Einsiedeln, 1989.
  • Balthasar, Hans Urs von – Chantraine, Georges – Scola, Angelo (Hrsg.), Akten des Römischen Symposiums 27.-29. September 1985 : Adrienne von Speyr und ihre kirchliche Sendung, Einsiedeln, Johannes Verlag, 1986.
  • Hans Urs von Balthasar-Stiftung (Hrsg.), Adrienne von Speyr und ihre spirituelle Theologie: die Referate am Symposium zu ihrem 100. Geburtstag, 12. – 13. September 2002 in Freiburg im Breisgau, Freiburg i.Br., Johannes Verlag Einsiedeln, 2002.
  • Jeroen, Smith, Adrienne von Speyr 1902-1967 : Gehoorzaam aan het Woord, EH Leiden, Katholiek Alpha Centrum, 2020.
  • Speyr, Adrienne von, Aus meinem Leben: Fragment einer Selbstbiographie, herausgegeben von H. U. von Balthasar, Einsiedeln, Johannes Verlag, 1968.

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www.balthasarspeyr.org wird von der Johannesgemeinschaft betreut, einer übernationalen Gründung Hans Urs von Balthasars und Adriennes von Speyr, deren Werk und Geist es weiterzugeben gilt. Darum sollen hier grundlegende Informationen zu beiden Autoren sowie laufend Texte und Materialien zur Verfügung gestellt werden. Ebenso können alle Interessierten und Fragenden mit der Johannesgemeinschaft in Verbindung treten. Spenden dienen einer möglichst breiten Verfügbarkeit des schriftlichen Werks und seiner Übersetzungen sowie den äußeren und inneren Aufgaben der Gemeinschaft.

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